Freitag, 29. Juli 2011

Europe In The Making - eine Replik

von Zoé

"Die Europa-Versager - Kaum ein Politiker mag noch die europäische Idee verteidigen" (ZEIT online, 20.7.2011): diese Schlagzeile fand sich so oder in abgewandelter Form in zahlreichen Ausgaben deutscher Tages- und Wochenblätter der letzten Woche. Von einer Grundsatzdebatte war die Rede, in deren Rahmen weit über die Frage der griechischen Schuldenkrise hinaus die Richtung des gesamten europäischen Projekts neu ausgehandelt werden müsse. Die Alternativen:  eine Vertiefung der Beziehungen oder das Eingeständnis, dass die EU nicht mehr steuerbar sei. 


Und dann kam der 22. Juli 2011, und mit ihm Anders Behring Breivik. Auf einen minuziös geplanten Massenmord folgte dessen nicht weniger umsichtig in Wege geleitete ideologische Begründung in Gestalt eines "2083- A European Declaration of Independance" betitelten Manifests. Für den Killer Breivik, so ist seinen eigenen Worten zu entnehmen, gehören Manifest und Tat untrennbar zusammen, nicht zuletzt weil ersterem die Funktion zukommt, ihn von jeglicher Schuld reinzuwaschen. Die Welt sei eben so, wie er sie sehe, und damit sei unter anderem das gezielte Abknallen von Kindern und Jugendlichen gerechtfertigt. Doch auch auf einer weiteren Ebene sind Manifest und Tat intrinsisch miteinander verbunden: wenn sie nicht gemeinsam an die Öffentlichkeit gelangt wären, wäre ihre Einzelwirkung in Breiviks Augen ungleich geringer ausgefallen. Sie sind demnach Bestandteil eines ausgefeilten, wenngleich zutiefst kranken Marketings in eigener Sache, wobei die Verbreitung von Breiviks Gedanken im Grunde eine "Verlängerung des Terroraktes" an sich darstellt (Süddeutsche, 28.7.2011). Ein Terrorakt, vorgetragen in Form einer europäischen Unabhängigkeitsdeklaration. 

Doch was für eine europäische Unabhängigkeit hat Breivik eigentlich vor Augen? Jedenfalls nicht die Staatengemeinschaft der EU, denn diese macht er für die Anzettelung eines europa-internen Krieges verantwortlich. Hierfür skizziert Breivik eine geheime Verschwörung von Frankreich und anderen 'grossen' Ländern, deren Ziel es sei, eine Allianz mit dem Islam zu schaffen. Dagegen hätten sich die konservativen Nationalisten Europas mit einer Vertreibung aller muslimischen Einwanderer zur Wehr zu setzen. Sein Ansatzpunkt des ethnisch argumentierenden Nationalisten - wie soll er mit dem Europagedanken aufgehen? Kein Problem für den vielseitigen Breivik: obwohl er gemäss Eigendarstellung nicht an den christlichen Gott glaubt, sieht er im kulturellen Element des Christentums eine europaüberspannende Klammer. Aber wie schon bei der Novalisrede stellt sich die Frage, ob diese Klammer am Ende genug Spannkraft besitzt.  


Wenn der derzeitige Stand verschiedener Europa-Diskussionen eins zutage fördert, dann dies, dass es gegenwärtig weder in den Köpfen, noch auf dem Papier ein geeintes Europa gibt  - und auch nie gegeben hat. Und dass es erst noch einer politischen wie ideellen Anstrengung bedarf, wollte man einer eher ablehnend eingestellten europäischen Bevölkerung die Idee wirklich schmackhaft machen. Im Vorwort zur Erstausgabe einer Buchreihe unter dem programmatischen Titel 'The Making of Europe' brachte der renommierte französische Historiker Jacques Le Goff 1995 dazu folgende basale Überlegungen aufs Papier:

Jacques Le Goff (* 1924)
"Europe is in the making. This is both a great challenge and one that can be met only by taking the past into account - a Europe without history would be orphaned and unhappy. Yesterday conditions today; today's actions will be felt tomorrow. The memory of the past should not paralyse the present: when based on understanding it can help us to forge new friendships, and guide us towards progress. Europe is bordered by the Atlantic, Asia and Africa, its history and geography inextricably entwined, and its past comprehensible only within the context of the world at large. The territory retains the name given by the ancient Greeks, and the roots of its heritage may be traced far into prehistory. It is on this foundation - rich and creative, united yet diverse - that Europe's future will be built.

(...) In their efforts to achieve accord and unity the nations of Europe have faced discord, division and conflict. It is no purpose of this series to conceal these problems: those commited to the European enterprise will not succeed if their view of the future is unencumbered by an understanding of the past. The title of the series is thus an active one: the time is yet to come when a synthetic history of Europe will be possible. The books we shall publish will be the work of leading historians, by no means all European. They will address crucial aspects of European history in every field - political, economical, social, religious and cultural. (...) Our aim is to consider the key questions confronting those involved in Europe's making, and at the same time to satisfy the curiosity of the world at large: in short, who are the Europeans? where have they come from? whither are they bound?"
Ob eine funktionierende EU die einzige Möglichkeit darstellt, in absehbarer Zukunft so etwas eine einheitliche europäische Identität zu generieren respektive den beteiligten Ländern in globaler Perspektive langfristig Handlungsmacht zu sichern, wird sich erst noch zeigen. Angesichts der heutigen Ausgangslage besteht sicherlich Grund zum Zweifel. Unabhängig davon sollten wir uns alle jedoch die Grundsatzfrage stellen, wie wir uns selbst als Europäer verstehen und wie unser Europa aussehen soll. Ansonsten könnte es  durchaus geschehen, dass Breivik und seine Sympanthisanten uns über kurz oder lang ihre Vorstellung davon aufzwingen.

38 Kommentare:

  1. es ist die Eigenart der Utopisten, der Luxus den sich selbsternannte Weltenretter und Revolutionäre herausnehmen, das Paradies das anbrechen wird, nachdem sie die Feinde ihres Heilsplans alle umgebracht haben, zu beschreiben und konkrete Vorstellungen darüber zu entwickeln, wie die solcherart "gerechte" Welt aussähe.

    Meist interessert es sie ja auch nicht weil sie selber dann schon im Martyrerhimmel schweben. Es ist wirklich ein Wunder dass Breivik noch lebt.

    Ich ahnte schon, als ich noch ein pubertierender Kommunist war, dass die Welt nach der Revolution, dass die bessere Welt die einst ersteht, wenn wir nur alle fest zusammenstehen und den Kapitalismus und die bürgerliche Gesellschaft abschaffen, dass diese Welt erschreckend langweilig sein würde.

    Dass sie sich fragen, ob die "kulturelle Klammer des Christentums" genügend Spannkraft besitze (Spannkraft? Wieso Spannkraft?) zeigt wieder einmal ihre tiefe Verwurzelung im zeitgeistig-trivialen Worthülsendenken. Gerade an dieser Stelle ginge es darum, eigene Gedanken zu entwickeln, statt dessen schwenken sie über zu einem Vorwort aus einem Buch, das ich gerne zusammenfasse:

    "Wir müssen, wenn wir Europa wollen, auch seine Geschichte, seine Wurzelnm seine Gegrafie miteinbeziehen...blablabla...man sollte die Probleme nicht verschweigen..blabla...globaler Kontext..."

    Ja, Herr Pfarrer so reden alle Sonntagsredner. Es ist genau diese Art von Sermon, der den europäischen Bürgern am Allerwertesten vorbei geht. Bliebe anzumerken, dass kaum je ein solides republikanisches Staatswesen über einen anfänglichen Gründungsmythos erstand, sondern meist in der (gewaltsamen) Befreiung der beteiligten Völker von Unfreiheit und wirtschaftlicher Abhängigkeit. Das fehlt/e in Europa gänzlich. Es besteht keine Not, deshalb kann es sich die Schweiz ja leisten, abseits zu stehen.
    Hingegen benötigte jedes republikanisceh Staatsewesn nachträglich einen Gründungsmythos. Oder wenigstens eine Verfassung. Beides scheitert in der Realität. Nachhaltig.

    Die Probleme sind erkannt. Und schliesslich bleibt die Frage im Raum stehen: wozu eigentlich ein geeintes Europa?

    Also, bevor ich darüber nachdenken will, wie solch ein gemeinsamer Europaüberbau überhaupt geschaffen werden könnte möchte ich erstmal abgeklört haben:
    - braucht es diese Union, das geeinte Europa überhaupt?
    - Wenn ja: wie soll es organisiert werden?
    - Wenn nein: was sind die Alternativen?
    - Wo sind seine Grenzen?
    - Welches sind seine Grundwerte?

    Aber genau bei Zoé regen sich Unmut und sie legt sich quer, wenn Autoren (seien dies nun ein seit 200 Jahren toter Dichter, der freundliche Orlando oder der Massenmörder Breivik) das ganz grosse Bild eines Europa entwerfen, sobald sie das Wort Christentum in den Mund nehmen.

    Ja was denn sonst? Freimaurer und Kantianer?

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  2. Korrigendum: Es ist die Eigenart der Utopisten, die Welt, die sie erträumen, NICHT zu beschreiben und konkrete Vorstellungen darüber zu entwickeln.

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  3. kein unmut, o., aber eine berechtigte frage, und meine antwort darauf ist: nein, allein mit dem verweis auf den gemeinsamen christlichen hintergrund werden sie die bevölkerung europas nicht dazu bewegen, sich als eine einheit zu fühlen. daher der zitatverweis auf le goff, der eine umfassendere perspektive entwirft: politisch, ökonomisch, sozial, religiös und kulturell. und ja, kant finde ich persönlich eigentlich einen ganz guten ansatzpunkt.

    die fragen, die sie zum europaüberbau stellen, führen mitten in den kern der problematik, danke. dabei sollte man nicht ausser acht lassen, wie weit zumindest die politische und wirtschaftliche verflechtung europas bereits fortgeschritten ist. so autonom, wie wir uns als schweizer gerne sehen, sind wir längst nicht mehr:

    http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Die-EU-verteufeln-gehoert-zum-guten-Ton/story/16100134

    eins kann man allerdings jetzt schon voraussagen: wenn die innereuropäische integration im bereich des politischen und wirtschaftlichen stehen bleibt, ohne dass die menschen sich mit was für einem europa-konstrukt auch immer ideell identifizieren können, dann wird das projekt scheitern. schon heute ist es für den durchschnittlichen EU-bürger nicht einzusehen, weshalb seine regierung für die abwendung des griechischen staatsbankrotts aufkommen soll. und die finanziellen probleme werden mit der aufnahme neuer EU-mitglieder nicht kleiner werden.

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  4. "Für den durchschnittlichen EU-Bürger nicht einzusehen" - die Arroganz trieft aus den Buchstaben, Zoé. Das Geld, das "seine Regierung" zahlt, hat diese ihm vorher abgenommen, es ist immer noch sein Vermögen. Die Eliten haben sich in die Scheisse geritten mit der Gemeinschaftswährung udn nun werden schuldige gesucht, die bösen Amis, die Chinesen, die faulen Griechen et.etc. Sie wissen ganz offensichtlich nicht wovon sie sprechen.

    Zweitens: die einzige Verflechtung, die gavierend ist und vielleicht irreversibel, ist die Giesskanne, die sich über marode Volkswirtschaften ergiesst, die unter den Durchschnitt wirtschaften. Das heisst die bekommen Geld aus Brüssel. Die anderen zahlen ein. Von diesem System wieder wegzukommen wird schmerzliche Erfahrungen für eine ganze generation junger Leute in den betreffenden Ländern bedeuten. Sie werden büssen mssen für Fehler, die ihre Grossväter machten.

    Drittens: das Demokratiedefizit! In Brüssel erlassen heute anonyme Beamte Gesetze, die für 400 Millioenn Geltung haben. Glauben sie, die Demokratie lässt sich per Erlass nachträglich einführen? You must be kidding!

    hahaha, Kant als Heilsquelle, das würde den hageren mann aus dem kalten Königsberg aber gewiss die Schamesröte ins Gesicht treiben. Und Schiller dichtet dazu, Mozart komponiert einen Lobgesang (etwas sehr deutschzentriert diese Wahl...). Zoé, schon Giscard D'Estaing hat den Bezug zur Realität komplett verloren, als er seine als nobel empfundene Aufgabe übernahm.

    das bringt mich zu den USA (seit Wochen will ich es loswerden): die weisen Staatsgründer haben schnell begriffen, dass dieses vernunftsgeprägte, pragmatisch-solide Gebäude nicht den geringsten Sinn macht ohne Gott. Dass dieses gerippe beim ersten Windstoff weggeblasen würde, wenn es nicht auf solidem Grund steht. Dass die Menschen zwar frei aber vollkommen nackt dastünden ohne wärmenden Mantel.

    Think about it.

    Mich hätte noch interessiert was sie zum oben erwähnten Punkt meinen: dass ein republikanisches Staatswesen immer aus einer Unfreiheit, Krieg oder sonstiger Not heraus entstehen muss. Es muss einen Kontrast zu vorher bilden. das fehlt der EU: alle Staaten mussten ja gerade schon selber Institutionen und Prinzipien angewendet haben und ökonomische Standards erfüllt, um überhaupt aufgenommen zu werden. Das ist schon im Grundsatz verkehrt.
    De logische Folge wäre, dass ein Europa nur aus einem Bürgerkrieg heraus als Notwendigkeit erstehen könnte. War es nicht genau das, was Breivik wollte, einen Bürgerkrieg?

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  5. keine sorge, o., ich werde noch ausführlicher auf ihre anmerkungen eingehen. momentan fehlt mir die zeit dafür, so dass ich lediglich kursorisch einige gedankengänge aufgeworfen habe, die mich in diesem themenzusammenhang beschäftigen.

    zum christlichen gehalt von breiviks manifest möchte ich einen artikel-auszug aus der faz nachliefern, auf den ich bei meiner mittagslektüre gestossen bin (man beachte, dass auch hier das von ihnen beanstandete wort klammer verwendete wird):

    "In einer ersten Stellungnahme am Freitag hatte die norwegische Polizei den Attentäter Anders Breivik etwas unbeholfen als 'christlich-fundamentalistisch' beschrieben. Mit der Bezugnahme des Attentäters nicht nur auf das Christentum, sondern auch auf die Freimaurerei lässt sich diese Aussage nicht in Übereinstimmung bringen. Denn die Freimaurerei beruft sich in deistischer Manier nur sehr vage auf einen 'Allmächtigen Baumeister aller Welten', ist aber strikt auf das Diesseits gerichtet und zudem – gerade in den katholisch geprägten Ländern Europas – in fast allen ihren Facetten feindlich gegen die Kirche eingestellt.

    Als christlicher Fundamentalist kann Breivik auch deshalb nicht gelten, weil er sich in seinem 1518 Seiten starken Schriftenkonglomerat so gut wie gar nicht darum bemüht, seine Ansichten aus der Bibel heraus zu begründen, was das wichtigste Kriterium für Fundamentalismus wäre. Für die wesentlichen Themen des christlichen Fundamentalismus – Irrtumslosigkeit der Bibel, leibliche Auferstehung, Sühnetod Christi – zeigt Breivik in seinem Pamphlet keinerlei Interesse.

    In seiner Polemik gegen den 'Multikulturalismus', der den Westen im Kampf gegen den Islam schwächt, kommt Breivik allerdings fortwährend auf Gott, Kirche und Christentum zu sprechen. Für den Attentäter hat das ihm vorschwebende, ideale Christentum aber keinen im engeren Sinne religiösen Zweck, sondern vor allem den, als kulturelle Klammer für ein wehrhaftes Abendland zu dienen. Breiviks Ausführungen in Fragen der Religion ähneln den ausführlichen Passagen des anonymen anti-islamischen Bloggers Fjordman, die der Attentäter in sein Pamphlet eingebaut hat. Fjordman tritt als 'nichtreligiöse Person' für eine Wiederbelebung des Europäischen Christentums ein."

    http://m.faz.net/Rub17B17D4915474D37975155F52204DDD7/Doc~E2FE67F6A3D3649EF9E077D910686C37D~ATpl~Epartner~Ssevenval~Scontent.xml

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  6. das gibt doch zu denken: weshalb sollte eine 'nichtreligiöse person' auf das europäische christentum referieren, wenn nicht aus rein instrumentellen beweggründen? religion wird damit einmal mehr zur vorgeschobenen chiffre für etwas anderes, denn wie es auch ein artikel in der süddeutschen zeitung bemerkt, ist die sogenannte islamkritik bei näherem besehen vor allem eine kritik an der eigenen gesellschaft:

    "Der 22. Juli 2011 hat gezeigt, dass die greifbarste Frucht der islamkritischen Aktivitäten bislang nirgendwo die Zurückdrängung des Islams ist, sondern nur die Spaltung eben derjenigen Gesellschaft, für die die Islamkritik zu sprechen vorgibt, die sie verteidigen und stärken will. Die anderen, lernen wir jetzt, sind wir selbst. Die Anti-Islam-Bewegung hat nicht den Hass gegen den Islam, sondern den gegen das heutige Europa hochgepäppelt, gegen jeden europäischen Bürger und erst recht jeden Politiker, der den Makel hat, sich nicht von ihr irre machen zu lassen.

    Niemand, nicht einmal die entschiedensten Kritiker der Anti-Islam-Bewegung, haben das ganze Ausmaß dieses autoaggressiven Potentials erahnen können. Vielmehr haben wir uns von der Rhetorik der Anti-Islam-Bewegung, ja vom bloßen Namen "Islamkritik" in die Irre leiten lassen. In Wahrheit ist der Islam hier nur die (stark überstrapazierte) Bande, über deren Umweg die Kugeln der Kritik die eigene Gesellschaft anstoßen sollen. Die Islamkritiker kritisieren den Islam und meinen die eigene Gesellschaft, die nicht so ist, wie sie sie sich wünschen.

    (...) Es mutet vor diesem Hintergrund naiv an, an der Islamkritik vornehmlich das verzerrte, kenntnislose und oftmals zu rassistischen Stereotypen erstarrte Islambild zu bemängeln. Man ist ihr damit nur auf den Leim gegangen. Viel besser wäre es gewesen, mit Nachdruck die Vorstellungen der Islamkritiker von ihrer eigenen Gesellschaft herauszuarbeiten. Denn je genauer man hinschaut, desto klarer wird: Hinter dem gemeinsamen Feindbild Islam verbergen sich viele, oft sehr gegensätzliche gesellschaftliche Visionen. In der Ablehnung der gegenwärtigen Zustände ähneln sie sich, in ihren Zielvorstellungen sind sie äußerst verschieden."

    http://www.sueddeutsche.de/kultur/das-dilemma-der-islam-kritiker-nach-oslo-das-haben-sie-nicht-gewollt-1.112571

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  7. - a peace to end all peaces - david fromkin

    - es gibt aktuell kein arabisches/islamisch geprägtes land von marokko bis nach afghanistan, wo es nicht "häscheret" wegen inneren spannungen. die eu ist sich am "sammeln" (zu einem kern) und dies im lichte des rutschbahn-besteigens von usa und dessen spielplatz-aufseher china.

    - ob weit hergeholt oder nicht, aber fakt ist, dass Oslo (ja, das oslo, wo doch die friedensverhandlungen für den nahen osten stattfanden) einige fäden (politische missstimmung in eu von links und rechts, naher osten durch tagungsinhalte "IL-Boykot", massenmord eines einzelnen menschen an "unschuldigen") des weltgeschehens zeitlich zusammenfasst.

    nun gut, es gibt verschiedene quellen, jedoch ist nicht jede gleich zuverlässig. klar ist jedoch, dass wir aktuell einer entwicklung beiwohnen, die nicht unbedeutend für den weiteren verlauf in europa ist.

    ich sage, die eu wird verschweisster aus der affäre rausgehen, als uns lieb sein wird. die währungen (mamon) tun das irige dazu.

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  8. @Zoé: okay, mehr Breivik.

    Interessant wäre dann, etwas über die "Begründung" Timothy McVeighs zu erfahren, das könnte die ganze Christentum-Hasser-Fraktion ja ganz aus dem Konzept bringen, wenn wie der Artikel in der FAZ, einen Teil der Legitimationsgrundlage für die "Aus-euren-Reihen"-Argumentation entzieht.

    Freimaurertum und Deismus geht schlecht mit einem christlichen Europa zusammen, wie es im Übrigen auch Novalis entwirft.

    Auffallend (ich weiss nicht mehr wer das in welchem Kanal gesagt hat) ist auch, das er der erste Rechtsradikale sei, der völlig frei von Antisemitismus ist. Offenbar gehört Judenfeindlichkeit bei denen zum Grundinventar.

    Der zweite Text: "gegen jeden europäischen Bürger und erst recht jeden Politiker, der den Makel hat, sich nicht von ihr irre machen zu lassen" - sehen sie das ist wieder linksanbiedernd und geschmäcklerisch. Ich muss unbedingt einmal etwas gegen die Unterstellung schreiben, nur wer Angst habe, Wut emofinde, auf der Verliererseite stehe, mit der Geschwindigkeit der modernen Entwicklung nicht klar komme, könne rechtskonservativ "werden". Hilflose, Frustrierte, Modernisierungsverlierer.

    Das stimmt so gar nicht. Sehen sie mich an.

    Oskar Freysinger war übrigens Porträtierter im letzten Tagimagi (welche Koinzidenz!). Einen der vielen lustigen Sprüche von Oski: "Die Sozialdemokratie, das ist die Östrogen-Partei, das Gebärmutter-Gefühl, das Kommt-her-zu-Mami-Ding, während die Rechte Testosteron verkörpere, Verantwortung übernehme, gegen den Strom schwimmen. Das ist tiefenpsychologisch."

    Ja, ich musste sehr heftig lachen, als ich es heute morgen gelesen habe.

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  9. Zysi, die Anführungsstriche bei "Unschuldige" sind unnötig, finde ich.

    Bündelung von Fäden, kann sein, die Politinsel mit dem Boykottaufruf ist eben nicht einfach eine zufällige Wahl. Hingegen - und das unterscheidet ihn wieder von einem Rassisten - schoss er ja auf "eigene" Volksangehörige. Irgendjemand sagte ja: hätte er in einer Moschee sein Massaker angerichtet, dann ergäbe das schon fast einen Sinn. Tut es eben (traurigerweise) auch so.

    Hier darf man ja laut denken, oder?

    *flüsterton* es gibt verdammte Banküberfälle, wo sich ein mutiger Typ ans Herz fasst und Widerstand leistet, es gibt Geiselnahmen die scheitern, weil sich ein zwei Männer todesmutig auf den Täter werfen. Es sei hier auch an United Airlines 93 erinnert. Und es waren wieviele Leute auf der Insel? Es war ein Schütze der offenbar frei herumlief (also kein Heckenschütze) gegen etwa 100 menschen. Und alle liessen sich abschlachten, oder versuchten das eigene nackte Leben zu retten, niemand versuchte eine Gegenwehr, ein Grüppchen zusammenzustellen und den Mistkerl zu überwinden?
    *flüsterton aus*

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  10. ich muss doch eigentlich arbeiten... o., sie mögen obige aussagen für linksanbiedernd und geschmäcklerisch befinden, ich halte dagegen: die tat als solche spricht eine klare sprache, die analyse der süddeutschen sollte man deshalb nicht leichtfertig vom tisch wischen. breivik hat seine waffen bewusst nicht gegen eine gruppierung von moslems gerichtet, sondern gegen eine gruppierung von jungen menschen, die er als die 'kulturmarxisten' von morgen ansah. now think about that.

    und nein, die hilflosen, frustrierten und modernisierungsverlierer können heutzutage aus einer bunten palette von extremismen wählen: vom rechtsradikalen über den islamhasser bis hin zum militanten öko-aktivisten oder links-anarcho. achtung, ich sage bewusst: islamhasser. kritik und hass sind in meinen augen nicht dasselbe. kritiker stellen missstände, nicht menschen an den pranger.

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  11. also, ihre flüsterton-bemerkungen, die finde ich jetzt doch ziemlich daneben. wer selbst noch nie in einer solchen situation war, sollte keine solchen fragen stellen. nur schon aus respekt vor den opfern.

    ich für meinen teil wäre garantiert um mein leben gerannt, und ich bin erwachsen. das dort waren zum grösstenteil kinder und jugendliche. wenigstens von einem, mette-marits halbbruder, weiss man, dass er sich dem täter in den weg zu stellen versuchte - erfolglos. und das, obwohl er polizist im ruhestand war.

    und was soll das überhaupt - die unterschwellige forderung nach bewaffneten sicherheitsleuten für ein jugendlager? sehen sie denn nicht, wie krank allein schon dieser gedanke ist, wie tief er bereits in unsere freiheit eingreift?

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  12. Ja, ich gebe zu, dass es unfair ist. Aber es sind Gedanken, die man sich halt macht.

    Noch wissen wir ja nicht genau, was da in den anderthalb Stunden geschah.

    Ich habe keinste Ahnung, wie ich reagieren würde. Ich kann aber auch nichts dafür, dass ich noch nie in so einer Situation war. Ich denke halt, wenn da ein, zwei Typen gewesen wären, die eine Rekrutenschule absolviert hätten, oder was weiss ich...wie gesagt, wir wissen noch gar nichts von den 90 Minuten.

    Immerhin scheint sich die Theorie eines zweiten schützen ja verflüchtigt zu haben.

    Ist es daneben, sich Fragen zu stellen? Ich glaube nicht.

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  13. ich komme ihnen auf halbem weg entgegen: wenn das geschehen auf der insel geklärt ist, wird man diese frage stellen können. sie im tonfall eines vorwurfs an die toten - und insbesondere an die überlebenden! - zu formulieren, halte ich jedoch grundfalsch.

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  14. Das habe ich doch gar nicht ich habe in wenig gemunkelt. Keine Vorwürfe, um Gottes Willen!

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  15. lesen sie ihren eigenen wortlaut, brüten sie darüber, und sie werden sehen, dass mein zwischenruf nicht von ungefähr kommt.

    das ist ja auch das problem bei der svp: zuviel testosteron vernebelt das bisweilen notwendige feingefühl.

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  16. Ich bin nicht "bei der SVP". Ich wähle sie nur hie und da.

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  17. das habe ich ihnen doch gar nicht unterstellt. ich bezog mich implizit auf ihr freysinger-zitat von heute morgen. seien sie nicht so grumelig: sie werfen mir andauernd elitaristisches gehabe vor, und ich nehme es ihnen selten übel.

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  18. Zoé, ich sehe nicht so ganz ein, was an der Tatsache, dass sich ein Nichtchrist auf das Christentum als "europäische Klammer" besinnt, so beunruhigend oder falsch sein soll.
    Zufälligerweise bin ich auch so ein Nichtchrist, der dies tut und dann erst noch nicht nur auf das Christentum bezogen, sondern ganz spezifisch auf den Katholizismus.
    Ich muss nicht religiös sein, um die kulturellen Wurzeln und die Identitätsstiftung zu sehen, die vom Christentum und besonders vom Katholizismus ausgingen. Europa wurde auf diesem Fundament gebaut und dieses Fundament schimmert in allen Dingen durch, die in Europa als Positiv und Fortgeschritten wahrgenommen werden. Menschenrechte, der Wert des Individuums, Wissensdurst, Forschung, Toleranz, Hilfsbereitschaft, Sozialwesen...in all diesen Dingen, die es in dieser Konzentration und dieser Mischung nirgends sonst gibt, schimmert die christliche Geschichte Europas durch.
    Religion wird in dieser Sichtweise nicht zur "vorgeschobenen Chiffre", sondern sie ist Teil einer komplexen Identität und der Rückbezug auf diese Religion, auch wenn man selbst nicht Religiös sein, kann auch einfach eine Referenz an die eigene Geschichte, ein sich Verneigen vor Vorleistungen sein.
    Nicht, dass Breivik in diesem Sinne gehandelt hat, aber Ihr absoluter Unterton, dass das Christentum einem Nichtreligiösen eigentlich nichts zu sagen hat oder keinen Bezugspunkt bieten könnte, scheint mir falsch.

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  19. hitz, ich muss gleich los, daher nur ganz, ganz kurz. was ich gesagt habe ist nicht, dass das christentum einen nichtreligiösen nichts angeht, nur dass ich es sehr seltsam finde, wenn ein nichtreligiöser hauptsächlich auf dieser basis seine argumentation aufbaut. dieses fundament, von dem sie sprechen, ist eben nicht nur ein religiöses und einige entwicklungen, die für uns heute wichtig sind, hätten nicht stattgefunden, hätte sich die eupäische gesellschaft nicht aus den rigiden armen der katholischen kirche gelöst. und dann sässen wir immer noch im tiefsten mittelalter, aber dazu wird o. demnächst schreiben. und mir natürlich im absoluten unterton widersprechen.

    wir sind mehr als das christentum, das christentum ist, wie sie sagen, 'teil' einer komplexen, europäischen identität. und ich möchte ehrlich gesagt weder das eine noch das andere als propagandamittel in den händen von jemandem wissen, der am liebsten den bürgerkrieg gegen alles ausrufen möchte, was nicht auf seiner politischen linie liegt.

    und weg bin ich, einen schönen tag euch allen!

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  20. eins noch: was in dieser diskussion bislang ausgeblendet wurde ist, dass die wurzeln der abendländischen kultur gleichermassen auf athen, rom und jerusalem fussen. ohne griechisches denken und römisches recht wären wir nicht die, die wir sind.

    europa ist ein melting pot von ideen, lebensarten und völkern. es auf einen einzelnen nenner - das christentum - runterzubrechen, ist eine unendliche verkürzung dieser vielfalt.

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  21. Nachtrag zum hier geschmähten Constantin Seibt.

    Dies schreibt er über sich (auf Facebook):

    "Wenn ich Johnny Cash höre, dann denke ich Folgendes: dass man ein korruptes Genre nehmen und etwas Persönliches daraus machen kann. Dass es darauf ankommt, irgendwann am Ende ganz einfach zu werden. Dass man Journalismus machen sollte, wie Cash singt: mit einer Bibel und einer Kanone. Dass Gott zwar die achtet, die arbeiten, aber die liebt, die singen. Dass man nicht lügen, stehlen, verletzen sollte. Dass es für dich keine Gnade gibt: Nichts rettet vor Krankheit, vor Angst und vor dem, was du all jenen angetan hast, die du liebst. Dass echte Würde darin besteht, der Leere ins Auge zu blicken. Dass es nicht um Klugheit, sondern um Demut geht. Dass auch du es eines Tages schaffen wirst, ohne Furcht zu leben, ohne Lüge und ohne Schnörkel. Dass es für mich nur eine Hoffnung gibt: dass mein Leben schwer und die Erde mir leicht sein werde. Amen.

    Wenn ich Johnny Cash höre, bin ich der, der ich niemals sein werde."

    Sein Lieblingszitat: "Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber Gott liebt mich, wenn ich singe."

    Ich bin tief beeindruckt, der breitarschige, von Blocher gekaufte (!) Köppel könnte so etwas nicht im Traum, nicht in hundert Jahren und nicht nach fünfzigtausend Wiedergeburten.

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  22. Zoé, chara, ja, es geht gut voran mit dem Buch. Danke der Nachfrage.

    Ich würde gern mehr preisgeben, es beschäftigt mich sehr, aber - oben wurde es angedeutet - irgendwann fällt hier die Meute ein, und dann ist alles Private öffentlich und bedroht.

    Schönen Tag von Herzen!

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  23. @Mora: Hitler hat sehr schöne Bilder gemalt. Churchill nicht.
    Has du Beweise für Blochers "Handel"?

    @Zoé: ein Marxist würde entgegnen, das römische Recht kann man nicht essen, Religion ist wenigstens Opium, das benebelt.
    Sie bringen sehr oft staatsrechtlich relevante Dinge, wenn sie argumentieren. Identität entsteht sich aber nicht nur über das rationale Denken und die Organisationsformen von Menschengruppen.

    Oh nein, es handelt sich um Fühlen, Glauben, Hoffen, Lieben - Orte in der menschlichen Seele, zu der die Vernunft kaum einen Zutritt hat.

    Sie geben sich alle Mühe, den grossen rosa Elafanten zu ignorieren, der da im Raum herumsteht.

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  24. vielleicht hatte seibt folgendes video vor augen, als er obige zeilen schrieb - es ist eines meiner all time favourites. geschrieben hat das lied der grossartige trent reznor, zur essenz reduziert und damit zur vollendung gebracht wurde es in der interpretation des altmeisters cash (und dessen kongenialem produzenten rick rubin):

    http://www.youtube.com/watch?v=l95D7leeU3w

    was den rest betrifft: ich für meinen teil geniesse momentan die (semi-)privatheit meiner gedanken.

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  25. o., es kann ihnen doch nicht entgangen sein, dass ich sowohl in meinem artikel als auch in den nachfolgenden kommentaren dafür plädiere, ideelles fleisch auf das politisch-staatsrechtlich-wirtschaftliche gerippenkonstrukt europa zu packen? nur geht für mich dabei die rechnung europa = christentum nicht auf. sorry.

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  26. Ich verstehe, Zoé, sie sehen alles, was nach ca. 1648 geschah als losgelöst vom Christentum und genau das (und nur dies) hat uns dahin gebracht wo wir heute stehen. Und wieder implizieren sie eine Gerichtetheit der Geschichte und wir sind eine Art vorläufiges Endprodukt. Hegel pur. "Weltgeist"-Glaube (ja!).
    „Die Weltgeschichte ist ein Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit – ein Fortschritt, den wir in seiner Notwendigkeit zu erkennen haben.“
    O-ton, your Master's voice.

    Was, wenn es nicht so ist?

    Sie schreiben "aus der katholischen Kirche selbst hätte die moderne Entwicklung nie geschehen können", was macht sie da so sicher? Gab es keine (geistige) Entwicklung zur Zeit, als die Kirche eins war? Nur Stillstand? Come on!

    Dann die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Die von ihnen postulierte Vernunftsmoderne, ist sie in Albanien angekommen, in Tschenstochau und Lourdes, in South London, in Antwerpen, in Rumänien? Oder zeigen uns diese Phänomene, dass sie vielleicht ein Irrtum ist, der auf dem Campus in Universitätsstädten herumgeistert? Ganz zu schweigen, wie es südlich und östlich dieses Kerneuropas aussieht...
    Was gedenken sie dagegen zu unternehmen, auf welcher Legitimationsgrundlage? Kampflos und in Schönheit untergehen?

    Die Barbarei tummelt sich direkt vor unserer Pforte.

    Ich als Konservativer sage: die Patchwork-Zivilisationsdecke, die sie meinen ist sehr dünn, sie schützt nicht vor Kälte und Wind. Die US-Gründerväter haben das geschnallt und Gott mit ins berühmte Boot genommen, das den Potomac überquerte.

    Und allenthalben hört man knurrende Mägen, die von dem "Fleisch am Gerippe" nicht satt werden. Oder ist das das Knurren der Wölfe?

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  27. o., es soll leute geben, die verzichtend dankend auf die tröstende religionsdecke, nur ums ich etwas weniger verloren in der welt fühlen. selbst wenn sie als agnostiker noch nicht einmal die existenz gottes bestreiten.

    und da alles vielschichtige argumentieren an ihnen abprallt, lasse ich es gleich bleiben und sage: ohne reformation keine moderne. so.

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  28. "Es handelt sich um einen anderen Akt der Auflehnung: gegen die Totalherrschaft der Gegenwart, die dem Individuum jede Anwesenheit von unaufgeklärter Vergangenheit, von geschichtlichem Gewordensein, von mythischer Zeit rauben und ausmerzen will. Anders als die linke, Heilsgeschichte parodierende Phantasie malt sich die rechte kein künftiges Weltreich aus, bedarf keiner Utopie, sondern sucht den Wiederanschluß an die lange Zeit, die unbewegte, ist ihrem Wesen nach Tiefenerinnerung und insofern eine religiöse oder protopolitische Initiation. Sie ist immer und existentiell eine Phantasie des Verlustes und nicht der (irdischen)Verheißung. Eine Phantasie also des Dichters, von Homer bis Hölderlin." (Botho Strauss)

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  29. "Und allenthalben hört man knurrende Mägen, die von dem "Fleisch am Gerippe" nicht satt werden. Oder ist das das Knurren der Wölfe?"

    manchmal finde ich meine Schreibe so richtig geil! So wie Seibt seine auch.

    @Zoé: in ihrer vielschichtigen Argumentation fehlen manchmal ein paar Schichten. Immer öppen die gleichen.

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  30. diese art von rückwärtsgewandtem denken ist mir fremd, aber das wissen sie. deshalb meinerseits ein lob an den in seiner gegenwart lebenden menschen, der sich als freier geist seiner eigenverantwortung bewusst ist:

    »Ich bin ein freier Mensch. Ich will unter keinen Umständen ein Allerweltsmensch sein. Ich habe ein Recht darauf, aus dem Rahmen zu fallen. Ich wünsche mir Chancen, nicht Sicherheiten. Ich will kein ausgehaltener Bürger sein, gedemütigt und abgestumpft, weil der Staat für mich sorgt. Ich will dem Risiko begegnen, mich nach etwas sehnen und es verwirklichen, Schiffbruch erleiden und Erfolg haben. Ich lehne es ab, mir den eigenen Antrieb mit einem Trinkgeld abkaufen zu lassen. Lieber will ich den Schwierigkeiten des Lebens entgegentreten, als ein gesichertes Dasein zu führen; lieber die gespannte Erregung des eigenen Erfolges, statt die dumpfe Ruhe Utopiens. Ich will weder meine Freiheit gegen Wohltaten hergeben, noch meine Menschenwürde gegen milde Gaben. Ich habe gelernt, selbst für mich zu handeln, der Welt gerade ins Gesicht zu sehen und zu bekennen: dies ist mein Werk. Das alles ist gemeint, wenn wir sagen: Ich bin ein freier Mensch.«

    Albert Schweitzer

    die verinnerlichung von ethik, die hier anklingt, um die geht es mir. sie muss sich im zweifelsfall ohne verweis auf eine äussere - höhere - instanz begründen. kurzum: sie muss in der natur des menschen wurzeln, in seiner humanität.

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  31. die schichten, die aus ihrer sicht fehlen, sind die, die ich bewusst nicht zu meinem argumentationsrepertoire zähle.

    sie und ich, wir gehen von zwei unterschiedlichen prämissen aus: von ihrer warte aus muss sich alles und jedes von gott herleiten. meine gedanken kreisen um den menschen als solchen, um seine intrinsische ethische anlage als basis einer liberalen gesellschaftsordnung.

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  32. Hat jemand das hier gelesen im gestrigen Tagi?

    http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/terror-in-norwegen/Ein-Langzeitstudent-wird-zum-Massenmoerder/story/12667884?dossier_id=996

    Also, ich hoffe, die haben dem nicht auch noch Geld gezahlt für sein heilloses Geschwurbel. Ich finde, eine ganze zeitungsseite kann man auch eleganter füllen, als mit solchem Quark: absolut inkohärenter Gedankenstrom. "Psychomediale Prozesse"...hat wohl zuviel im TV gezappt der Typ nd ist jetzt unfähig, anderes als Gedankenzapps zu liefern.

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  33. o., der verfasser ist medienwissenschaftler, das sagt alles. (sie erinnern sich an die nicht minder verschwurbelten aussagen seines berufskollegen bernhard siegert zum infamen menschen der gegenwart? eben.)

    den aspekt des kulturellen emplotments fand ich dennoch erhellend, und auch folgende passage lesenswert:

    "Der Ausblick auf solch einen fernen Abschluss wird seinen Studieneifer unendlich angefacht haben. Er schichtete unbehelligt Argument auf Argument und Zitat auf Zitat, um der Kultur der Verhandlung, des Abwägens und des Widerlegens auszuweichen. Er pflegte seinen apokalypsefähigen Garten in aller Stille, um mit dem Tag seiner Fertigstellung nach unserem Verständnis die Register zu wechseln. Demnach ist er eine Art Negativ-Abdruck der politischen Kultur des Westens, die sich bei Verhandlungen über Staatsbudgets ebenso wie bei Abstimmungen über minimale Novellierungen bestehender Gesetze als zäh, detailversessen und gleichzeitig kompromissbereit erweist."

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  34. nachgeliefert noch der positiv-abdruck, sozusagen, aus der feder von jean-françois revels' 'So enden die Demokratien', in einer zitation von paul watzlawick in 'Vom Guten des Bösen' (S.66f).

    beide autoren stimmen darin überein, dass sich die aussenpolitik demokratischer und totalitärer staatssysteme im wesentlichen bezüglich ihrer verhandlungsbereitschaft unterscheiden. während letztere nur ein ziel kennen würden - nämlich den kompromisslosen, endgültigen sieg (womöglich auf weltweiter basis) - neigen moderne demokratien dazu, sich im konflikt- oder konkurrenzfall zusammenzuraufen. Oder, wie revel es ausdrückt, sie suchen

    "immer neue Kompromisse zu schliessen, deren Mittelwert der für alle die meisten Vorteile bringende gemeinsame Nenner ist. (...) So geht jede demokratische Diplomatie davon aus, dass sich Konszessionen lohnen, weil dabei der Gegenspieler, von dem unterstellt wird, er sei vernünftig und massvoll, dazu veranlasst wird, die Leistung zu berücksichtigen, die man erbracht hat, und entsprechend als Gegenleistung eine Konzession zu machen, die den gefundenen Kompromiss dauerhaft macht."

    leider verraten weder revel noch watzlawick an dieser stelle, wie der umgang mit einem gegenspieler aussieht, für den vernunft und mass fremdworte sind.

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  35. nun, für den anti-amerikanismus seiner landsleute im schatten von 9/11 zeigte revel jedenfalls wenig verständnis:

    "Obsessed by their hatred and floundering in illogicality, these dupes forget that the United States, acting in its own self-interest, is also acting in the interest of us Europeans and in the interests of many other countries which are threatened, or have already been subverted and ruined, by terrorism."

    ich möchte nicht wissen, wieviel zeit es mich früher gekostet hätte, ohne google an diese information zu kommen...

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  36. Revel war ein vehementer Befürworter des Irak-Kriegs und hat damit die erregte Empörung der sauberen Alteuropäer auf sich gezogen. Unvergessen.

    Erregung und Empörung sind gut. Sie verdeutlichen, auf wie tönernen Füssen die Argumentation von sog. Pazifisten steht. Sie fangen im Stile eines mir bekannten Etablissement-Wirtes automatisch mit "Buääääääh"-Rufen an, nach pawlowscher Manier wenn es um Israel und USA geht - die einzigen hartnäckigen Überlebenden unter den Feindbildern des Kalten Kriegs.

    Erregung und Empörung können genau das stärken, was sie auslöst. Es ist das alte massenmediale Pattern, nur haben das die Gutmenschen noch nicht begriffen.

    In Anlehnung an ihren Titel: history is in the making. Wie naiv der Glaube, wir hätten einen ideal-fortschrittlichen Zustand erreicht und könnten von den Gegenübern (remember: es gibt keine Kriege von Demokratien gegen Demokratien) das Gleiche erwartet. Der Irrtum ist verdeutlicht in den Begriffen "Vernunft" und "Gemässigtheit" (in Wahrheit: es sind die Wenigen, die Naiven, die sich auf irgendeinem Campus in diese fixe Idee hineinsteigern) - und müssten den nur noch exportieren, aber natürlich nicht mit dem Schwert. Das ist ja die Krankheit der internationalen Diplomatie, erfunden in der gäbigen Zweiblock-Welt des kalten Krieges.

    Dabei braucht es mehr Unvernunft und Masslosigkeit in der Verteidigung des Richtigen gegen das Falsche. Huntington is beckoning. Oder aber in Schönheit untergehen. Guten Abend, gute Nacht.

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  37. o., die unselige mode, über abwesende zu reden, sollten wir bleiben lassen - finden sie nicht auch?

    watzlawick kommt an späterer stelle noch einmal auf die schwächen der demokratie zu sprechen, welche da wären:

    erstens, die tatsache, dass politiker wiedergewählt werden wollen, und deshalb absolut notwendige, aber unpopuläre massnahmen in der regel nicht ergriffen werden, um die wählerschaft nicht zu verärgern;

    zweitens, der umstand, dass das demokratische mehrheitsprinzip als waffe gegen minderheiten missbraucht werden kann, indem man letzteren auf gut 'demokratische' weise das mitspracherecht verunmöglicht;

    dritttens, und dies ist besonders problematisch, weshalb ich im original zitiere: "Und bei dieser Arbeit kommt ihnen ein weiterer schlechter Bestandteil des demokratischen Guten zu Hilfe: die meines Wissens bisher von niemandem widerlegte Tatsache, dass sich die Demokratie gegen undemokratische Strömungen nur durch undemokratische Massnahmen wehren kann und damit ihren Feinden den Vorwand zu noch undemokratischerem Verhalten liefert." (S. 92f.)

    allerdings scheint mir die direkte demokratie nach schweizer vorbild noch am ehensten gegen alle drei gefahren gewappnet zu sein, deshalb möchte ich fürs erste mit einem zitat von thomas mann aus der gestrigen sonntagszeitung schliessen:

    "Wenn ich aber 'Europa' dachte, so war es eigentlich immer die Schweiz, die ich im Sinne hatte: dieses freie, kleine, aber nicht enge, sondern vielgestaltige und mehsprachige, von europäischer Luft durchwehte Land."

    damit verabschiede ich mich für heute, der berg ruft! ich wünsche allen einen schönen 1. august.

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  38. nachtrag zu breivik: eine wohltuend diffferenzierte, informierte und sachliche analyse der theologien saskia wendel. das interview ist in voller länge lesenswert (was man bekanntlich nicht von jedem interview behaupten kann).

    DIE ZEIT: Ist Anders Breivik ein christlicher Fundamentalist?

    Wendel: Ja und nein. Einerseits bezeichnet er sich als nicht religiös, andererseits nimmt er das Christentum in Anspruch, um sein Handeln zu legitimieren. Er hat ein ganz klar christlich aufgeladenes Weltbild und misst der katholischen Kirche die Funktion zu, Schwert im sogenannten Kampf um Europa zu sein. Er sagt, der Papst wäre das schärfste Schwert, wenn er denn richtig funktionieren würde.

    (...)

    DIE ZEIT: Sie selbst gehören zu den Modernisierern innerhalb Ihrer Kirche und haben 2011 das Reformpapier der deutschen katholischen Theologen mit initiiert. Der Attentäter inszeniert sich als Gralshüter eines rein christlichen Europa. Hat es je existiert?

    Wendel: Nur als Mythos. Breivik braucht für seine aggressive Identitätspolitik eine große europäische Metaerzählung. Um die zu entlarven, muss man nur an das von ihm in Anspruch genommene Mittelalter erinnern: Die Scholastik wäre undenkbar ohne islamische Philosophen und Theologen, die den vergessenen Aristoteles zurück in den Westen brachten. Oder das Wissen der Mauren, das sich von Andalusien aus verbreitete. Übrigens gab es im Mittelalter auch christliche »interreligiöse« Schriften, zum Beispiel von Nikolaus Cusanus und Petrus Abaelardus. Christliche Theologie war nie nur monolithisch und auf sich selbst bezogen.

    http://www.zeit.de/2011/32/Interview

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