Sonntag, 11. September 2011

September 11th, 2001 - Lest we forget!

Requiem aeternam dona eis, Domine:
et lux perpetua luceat eis. exaudi orationem meam, 
ad te omnis caro veniet. Requiem aeternam dona eis Domine




Iudex ergo cum sedebit,
Quidquid latet apparebit:
Nil inultum remanebit.




Inter oves locum praesta,
Et ab haedis me sequestra,
Statuens in parte dextra.


Pie Iesu Domine,
dona eis requiem. Amen.

Montag, 5. September 2011

Jugendgewalt - mit zweierlei Mass

 von Zoé

Wir alle wissen: wenn es um Themen wie Jugendkriminalität oder Gewalt in Paarbeziehungen geht, wie kürzlich hier und im Mamablog, dann ist einer der Faktoren, die als erste ins Blickfeld geraten, derjenige der Kindheit des/der Gewaltausübenden. Menschen, die in einem lieblosen oder gewalttätigen Umfeld aufwachsen, haben gegenüber denjenigen, die eine unbesorgte und behütete Kindheit erleben dürfen, ein unbestrittenes Defizit, welches sie manchmal ein Leben lang nicht aufholen können - soweit der Forschungsstand. 2004 wurden bei Ratten Langzeit-Studien zur 'Elternliebe' durchgeführt, bei denen sich gezeigt hat, dass es - wie bei uns Menschen auch - solche und solche Eltern gibt. Fürsorglichkeit lässt sich bei diesen Tierchen (im Gegensatz zu Menschen) leicht messen: entscheidend ist, wie oft (beim Menschen würden wir wahrscheinlich sagen: wie hingebungsvoll) ein Rattenweibchen seine Jungen leckt und pflegt. Tut sie das auf regelmässiger Basis, haben wir es mit einer 'high licking and grooming mother' zu tun. Tut sie es nicht, sind ihre Werte 'low', und ihr Nachwuchs tendenziell vernachlässigt. So weit, so gut. Allerdings verhält es sich wohl so, dass sich die Pflege der Mutter nicht nur nachhaltig auf das spätere Stresslevel des Nachwuchses auswirkt, sondern auch auf deren eigenes elterliches Verhalten, denn: vernachlässigte Rattenkinder neigen später selbst zur Kaltherzigkeit. Offenbar, und das ist die eigentlich überraschende Erkenntnis, schreiben sich die Folgen der Brutpflege sogar in die genetische Ausstattung der Rattenkinder ein. Zum selben Schluss kommen erste epidemologische Studien beim Menschen. 


Erziehung hat also nicht einfach nur lebenslange, binsenwahrheitliche Auswirkungen auf unser Verhalten, sie greift mitunter direkt in unser Erbgut ein. In diesem Forschungsbereich ist unter anderen die relativ junge wissenschaftliche Disziplin der Epigenetik tätig. Sie geht der Frage nach, wie molekulare Mechanismen bestehende Erbanlagen ein- oder ausschalten und damit bestimmen, ob selbige wirksam werden oder nicht. Gene und Erziehung, so das bisherige Fazit, befinden sich in einem steten Wechselspiel, insofern als das Umfeld massgeblich mitentscheidet, welche Gene zur Entfaltung kommen - und welche nicht. Oder wie es der Spiegel formuliert: "Es ist nicht nur wichtig, was in den Genen geschrieben steht, sondern auch, was die Gene erleben."

Wem in der Kindheit nicht Sorge getragen wurde, der weist eine erhöhte Chance auf, im Jugend- und Erwachsenenalter für sich und für andere nicht hinreichend Sorge zu tragen. Doch auch wenn ein Mangel an Geborgenheit und Zuwendung sich zeitlebens auf die psychische und physische Gesundheit von Individuen auswirken kann, gibt es zugleich Faktoren, die einer solchen Entwicklung potentiell entgegensteuern. Dazu gehören die eigene Intelligenz und Willenskraft, ausserfamiliäre emotionale Beziehung sowie - man höre - die Begeisterung für bestimmte Werte und Lebensziele. Es verbietet sich demnach ein einfacher Fatalismus: ein Stückweit hat ein jeder (immer noch) sein eigenes Schicksal in der Hand; ein Kind aus einem gewaltgeprägten Umfeld muss noch lange nicht selbst zum Gewaltausübenden werden. Dennoch sind wir uns alle darin einig, dass eine zerrüttete Kindheit im Deliktfall einen strafmildernden Umstand darstellt. 

Was aber, wenn es sich umgekehrt verhält, wenn wir es mit einem untypischen Gewalttäter zu tun haben? In Berlin steht zur Zeit Torben P. vor Gericht, der in einem U-Bahnhof seinem Opfer derart gravierende Verletzungen zugefügt hat, dass es gemäss Aussage der Gerichtsmedizinerin nur durch Zufall nicht zu einem tödlichen Ausgang gekommen ist. Torben wird jedoch aller Voraussicht nach laut Meldung der Süddeutschen um eine Haftstrafe herumkommen, dies weil eine Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe die Empfehlung abgegeben hat, es bei einer Bewährungsstrafe zu belassen. Der Gymnasiast sei kooperativ, habe sich aus eigenem Antrieb eingehend mit der Tat auseinandergesetzt und Interesse an einem Anti-Aggressionstraining bekundigt. Zwar bestehe ein grundsätzlicher therapeutischer Bedarf, jedoch 'kein Erziehungsbedarf' über das hinaus, was seine Familie zu leisten imstande sei. Auch habe der höfliche und aufmerksame junge Mann zwischenzeitlich dem tatverursachenden Alkohol abgeschworen und sich stattdessen der Religion zugewandt. 

Ein anderer mildernder Umstand liest sich wie ein Witz: gemäss Aussage einer Sachverständigen habe für das Opfer zwar eine 'potentielle Lebensgefahr' bestanden, doch seien die Verletzungen durch die Tritte des Angeklagten wegen der weichen Gummisohle an dessen Schuhen letztlich nicht lebensgefährlich ausgefallen. Tritte, die gegen den Kopf des Opfers gingen, nachdem Torben es bereits mit einer Flasche niedergeschlagen hatte, woraus ein Schädel-Hirn-Trauma resultierte. 

Angesichts der Umstände unterscheidet sich der 18-jährige deutlich vom geläufigen Jugendschläger. Er besucht eine höhere Schule und wird sein Abitur fortsetzen können; hierführ erhält er gegenwärtig in einigen Fächern Einzelunterricht. Sein Elternhaus scheint intakt, Schuld an dem Vorfall soll ein übermässiger Alkoholkonsum sein. Aber: ist es fair, einem Täter, der bislang offenbar beste Voraussetzungen in seinem Leben hatte, die Haftstrafe zu ersparen, während ein anderer mit weniger glücklichen Ausgangsbedingungen vom Gesetz härter angefasst wird? Mir scheint hier ein moralisches Dilemma vorzuliegen, aus dem uns auch die neueste Forschung nicht heraushelfen kann.