Samstag, 9. Juli 2011

Ein herzliches Willkommen

Nach Barspelunken und Blumengärten hier das entgültige Refugium.

Der Titel des neuen Lokals ist aus Johannes 8:32 entnommen: "So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen."

In Freiheit leben - uralte Sehnsucht von Christen und Nichtchristen. Stärker noch als die Sehnsucht, in Frieden zu leben. Kann man in Frieden leben, ohne frei zu sein? Ja. Kann man in Freiheit leben, ohne ein friedliches Auskommen zu haben (mit sich, mit der Welt, mit den Nächsten, mit der Welt)? Toleranz führe zum Frieden, wird seit der Aufklärung proklamiert. Nur, reicht das? Und wie weit darf diese Toleranz dann gehen, bis zur Selbstverleugnung, bis zur Relativierung aller Werte, bis zur Auflösung des Individuums?

Es kann keinen Frieden geben, der nicht vom freien Individuum ausgeht - Menschen ohne Orientierung, ohne Identität, Menschen, die nicht nach Sinn suchen und streben, sind keine freien Menschen. Unfreie Menschen sind manipulierbar, beherrschbar und überlassen das Denken und die Verantwortung für ihr Leben anderen Menschen, der Gesellschaft, dem Staat, übergeordneten Strukturen und Mächten. Und wessen Frieden herrscht dann auf Erden?
Darüber wird nachzudenken sein.

In Kürze folgen hier Pendenzen aus dem Botanikexperiment, das wir beenden mussten, weil durch einen peinlichen Fehler meinerseits genau jenes Publikum davon Wind bekommen hat, das wir eigentlich nicht dabeihaben wollten.

Im Übrigen gelten hier die gleichen Ansprüche an Qualität wie im gescheiterten Projekt. Aus naheliegenden Gründen verweise ich nicht mit Link von hier nach dort.

Wir freuen uns auf Ihre Wortmeldungen und heissen Sie herzlich willkommen!

128 Kommentare:

  1. o., auf der suche nach einer halbwegs gscheiten antwort auf ihren einstiegstext bin ich soeben über eine vielversprechende koinzidenz gestolpert. wussten sie, dass karl jaspers 1958 anlässlich des ihm verliehenen friedenspreises des deutschen buchhandels eine dankesrede unter der überschrift "wahrheit, freiheit und friede" hielt? die laudatorin war niemand geringeres als die eng mit ihm befreundete hannah arendt.

    ich hätte sogleich lust, mich in die lektüre zu stürzen (beide texte finden sich unter http://www.boersenverein.de/sixcms/media.php/806/1958_jaspers.pdf). leider muss ich arbeiten.

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  2. zoé, ich gebe gerne zu, dass mein Text etwas aus der Hüfte geschwungen und improvisiert ist. Ich bin mich auch nicht gewöhnt, mit Quellenangaben zu arbeiten.

    (Wie bewerkstelligt man dies eigentlich, wenn die Quelle die eigene Hirnsuppe ist?).

    Tatsache ist, dass ich beabsichtige, diesen Gedanken hier nachzugehen. Es gibt auch einen Weltwoche-Aufsatz vom bereits früher zitierten Wolfgang Sofski, der sich damit auseinandersetzt.

    Mir geht es darum, dass ein Leben in Freiheit selbstbewusste und selbstverantwortliche Menschen braucht. Dies ein urliberaler Ansatz (unter dem ich mir übrigens durchaus vorstellen könnte, das "erwerbslose Grundeinkommen" zu diskutieren). Darüberhinaus erfordert dies einen Frieden mit sich selbst, mit den Mitmenschen, der Gesellschaft, der Welt - psychische "Gesundheit" oder wie früher besprochen Geheiltheit.

    Drittens braucht es einen klaren, fairen Modus gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse. Der ist mit der Demokratie gegeben. Und es gilt: zuwenig Demokratie ist immer gefährlicher als zu viel Demokratie.

    Und weil nun demokratisch verfasste Gesellschaften (von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen) zwar zuverlässige Grundlage für Wachstum und Wohlstand bieten heisst das noch lange nicht dass immer und stets das Richtige, das Wahre, das Gute, das Schöne, das Lebensstärkende/-bejahende, das Zuversicht Vermittelnde und das in die Zukunft gerichtete sich durchsetzen kann.

    Daher braucht es - viertens - eine klare Wertgrundlage, in jeder menschlichen Gemeinschaft. Und - sie werden mir widersprechen - diese kann im Abendland nur in einer abstrakt-logischen Hinwendung zum christlichen Glauben und der religiösen Tradition bestehen. Es kann keinen Wertepluralismus geben, so wie es keine unterschiedlichen Gesetze für die unterschiedlichen Individuen geben kann. Das würde zur Ungleichheit führen. Und damit zum Unfrieden.

    (Den letzten Abschnitt werde ich mit Novalis begründen, der diesen Bruch mit dem Religiösen an der Schwelle zum 19. Jh bereits anprangert).

    So. Und nachdem ich dies nun gesagt habe bin ich reif dafür, Arendt zu lesen. So funktioniere ich.

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  3. o., wahrscheinlich würde man, wenn man die begriffe wahrheit, freiheit und friede (in dieser kombination) ausführlich recherchiert, auf weitere potentielle quellentexte - rückgehend bis auf die antike - stossen, insofern war dies ein reiner zufallstreffer meinerseits (und sie kennen ja mein interesse an jaspers). soviel zur hirnsuppe, die sich aus der abendländischen gedankenwelt speist - auch die ihre, mein lieber.

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  4. ...und Glaube und Gerechtigkeit. Und schon hätten wir fünf Grundbegriffe zusammen, mit denen sich ein trefflich Hirnsüppchen aufkochen liesse.

    Japsers kenne ich gar nicht, nur sein anämischer Nachlassverwalter, Hans Saner heisst der, der wurde vor Jahren immer mal wieder vor ein Mikrofon oder eine Fernsehkamera gezerrt, wenn es ein Statement von "einem Philosophen" eingeholt werden musste. Der Schweizer Sloterdijk.

    Da sage ich doch: Lieber Julia denn Hans Saner.

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  5. nei sie aber au - hüpfen wild durchs gjät, von (irrelevanten) schweizer sloterdijkkopien hin zu (relevantem) schweizer schönheitsexport. das wird mir ja eine schöne reise...

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  6. Die "Neueste Kommentare"-Funktion an der Seitenleiste scheint nicht zu funktionieren. Hm.

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  7. nicht nur die seitenleiste scheint nicht zu funktionieren. man scheint auch mich nicht zu erkennen, dabei habe ich mir - trotz nickwechsel - jede erdenkliche mühe gegeben, um erkennbar zu bleiben.

    der nickwechsel selbst ist eine reine vorsichtsmassnahme (wobei auch hier die wendung gilt, dass das nomen omen sein soll). man bedenke: die suchpfade der anyonymen sind unergründlich. danke für den hint in der lounge, astrid.

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  8. was lese ich gerade: die 'nomen est omen'-theorie wurde kürzlich durch wissenschaftliche studien bestätigt. demnach haben es die kevins gar nicht leicht im leben, davon zeugt die zugehörige begriffsbildung 'kevinismus'.

    http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,772248,00.html

    dass etwas so banales wie ein name auswirkungen auf ein ganzes leben hat...

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  9. Ich habe nach wie vor keine Ahnung, wie das funktioniert, Zoé. Aber die Gefahr scheint gebannt - zumindest haben wir seit letzter Woche Ruhe. Allerdings musste die ganze Familie ihre 'Walls' erhöhen und modifizieren, um dahin zu kommen. Und, wenn ich das richtig verstehe, könnte bei einem erneuten Angriff jetzt der Weg zurück verfolgt werden...... Also, hoffen wir mal.

    Das mit den Namen war mir bekannt. Ich behaupte schon seit längerer Zeit, dass bestimmte Namen auch auf Gemeinsamkeiten, welcher Art auch immer, hinweisen. Gut, bei Kevin ist das einfach: fast kahlgeschoren, doofes Zöpfli hinten und Prekariatseltern. Aber achte mal auf, sagen wir mal, sehr ausgesuchte Namen - z.B. wie das neueste Beckham-Family-Mitglied. Harper Seven? Bloody Hell! Da weiss man natürlich auch nicht, was zuerst kam, der Name oder die doofen Eltern....

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  10. nun ja, im fall beckham scheint mir in erster linie tragisch, dass der zuname seven auf daddy's rückennummer fusst. keine guten aussichten für eine gesunde kindliche entwicklung, angesichts dieses prominent zum ausdruck gebrachten elterlichen selbstverwirklichungtriebes. beinahe würde man sich wünschen, das namensgespinnst wäre der väterlichen oder mütterlichen vorliebe für seven-up oder etwas ähnlich banales entsprungen...

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  11. Mütterlicher Selbstverwirklungstrip: Harper Manola? Harper Anorexia? Harper Fashionista? Harper Evoque?

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  12. Harper Vogue! (in freier assoziation zu Harper's Bazaar); oder aber Harper Spice. sie müssen schwer mit sich gerungen haben, die stolzen beckham-eltern...

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  13. Wird das nicht fast zu brav und zu schön hier?

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  14. zu brav? zu schön? mit zoé vielleicht...

    was fehlt, ist ein thementhread. er folgt demnächst.

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  15. Brav ist es nirgends, wo O. ist, werter Max!

    Und "schön"? Ja, ich sehne mich fast ein wenig nach Schönheit nach all dem Dreckelen. Nach der Schönheit reger Diskussion u m e i n T h e m a (und nicht um die Befindlichkeiten oder das Aufmerkasmkeiterheischen einzelner Blogger oder deren privaten Nöte und Fehden).

    Nach der Schönheit eines guten Auskommens - dass ich nicht bei jedem Disagreement in der faschistoiden Ecke lande und dass jede politische Thema mit einer ressentimentgeladenen Salve gegen die SVP (der ich weder angehöre noch mit allem einverstanden bin) oder die katholische Kirche (dito) eröffnet wird.

    Nach der Schönheit eines gewissen Friedens hier (siehe oben). Ich bin kein Asyl, das zehrt an meinen Kräften.

    Kreativitätshemmend wirkte diese Atmosphäre von Hass und Misstrauen zuletzt an meiner Bar. Dabei habe ich soviele Ideen.

    Die geladenen Gäste sind ja nicht gezwungen, hierherzukommen. Es gibt ja ein breites Angebot an Blogs, wo jeder für sich das Richtige finden kann. Wir bitten nur darum, die Adresse hier nicht in anderen Blogs herumzureichen.

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  16. Zum Eingangstext: Ich halte die hierarchische Gleichstellung von Freiheit und Friede für falsch. Die pazifistischen Strömungen der letzten Jahrzehnte (die mitunter vor allem verlogen, aber gar nicht wirklich pazifistisch waren) haben bewirkt, dass sogar ein konservativer Kopf wie Orlando dem Friede einen Stellenwert zuweist, der ihm in diesem Zusammenhang gar nicht zusteht.
    Gerade wenn es um das Streben nach Freiheit geht, ist das Potential zum Unfrieden ausserordentlich gross. Es mag sein, dass meine Freiheit diejenige eines Anderen einschränkt und dann liegt hier die Wurzel zum Unfrieden. Ebenso mag es sein, dass mein Streben nach Freiheit von jemand Anderem als unzulässig angesehen wird, weil es seinen Normen widerspricht und auch hieraus wird Unfriede resultieren.
    Gesellschaftlich gesehen kann man momentan sehr gut beobachten, wie die Angehörigen einer äusserst repressiven Kultur einerseits die Freiheit, die unsere Kultur bietet, ausnützen und andererseits daran arbeiten, eben diese Freiheiten auch zu unterlaufen und zu demontieren. Auch dies wird letztlich zu noch grösserem Unfrieden führen.
    Friede ist ein wohltuender und schöner Zustand, aber er ist flüchtig und der Mensch tut besser daran, ihn sich vielleicht zu wünschen, aber nicht auf ihn zu rechnen.
    Si vis pacem para bellum.

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  17. Hitz, ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und behaupten, dass (geistige und politische) Freiheit ein Prärequisit für den Frieden sind. Das würde auch die Freiheit beinhalten, um des Friedens willen zu kämpfen...

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  18. Da kann ich Ihnen weitestgehend zustimmen, wobei der Begriff der Freiheit schon noch näher zu erörtern wäre. Es kann nämlich Ausdruck meiner Freiheit sein, meine überlegene Körperkraft zum Zwange anderer Leute zu missbrauchen. Eine Gesellschaft, die ich es für Wert befinde, darum zu kämpfen, würde mich aber in dieser Freiheit beschneiden oder mich sogar dafür meiner Freiheit berauben.
    Freiheit braucht eine allgemeinverbindliche Definition und kann meiner Ansicht nach nur mit dem Erfüllen von Mindestanforderungen erworben werden, was wiederum schon eine recht unfreie Angelegenheit ergibt.

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  19. ja die freiheit von was? die freiheit mein leben selber zu gestalten resp. die freiheit zu haben (als ein privileg), die zu gehenden wege "selber" zu wählen, in eigener verantwortung die wegstrecke zu erleben.

    diese gedanken kommen mir nun häufiger beim beobachten meiner kinder; ihre freiheit ist es den eigenen willen und die neugier zur entfaltung zu bringen; dabei sind sie frei in der ausrichtung, jedoch die umsetzung kann durch mich als "elter" beschnitten sein: ob sie darob (keinen) frieden haben, kann ich nicht absolut beurteilen; höchstens erahnen und da denke ich, spielt dann das "loslassen" der eigenen sichtweise mit rein.

    mit blick auf den text, kommt mir da die geschichte des auszugs der hebräer aus ägypten in den sinn; mit mose (freier entscheid mit frieden darüber, die menge anzuführen?) und dem entfreiten pharao (nur sich selber verantwortlich; hatte er dabei frieden?)

    also, ich meine, DEN frieden und DIE freiheit haben wir als kostprobe zu erfahren; und nicht mehr.

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  20. da ich nun endlich die ersten passagen der jaspers-rede gelesen habe, hier einige - zugegeben noch entwicklungsbedürftige - systematische denkanstösse, die sich daraus ergeben haben.

    jaspers differenziert zunächst zwischen dem äusseren frieden (der aus seiner sicht nur weltfrieden sein kann) und dem inneren. davon ausgehend stellt er folgende prämissen auf:

    "Erstens: Kein äusserer Friede ist ohne den inneren Frieden der Menschen zu erhalten. Zweitens: Friede ist allein durch Freiheit. Drittens: Freiheit ist allein durch Wahrheit."

    friede ist nun allerdings nicht kampflosigkeit; der kampf selbst kann gewaltsam, geistig oder liebend ausgetragen werden. die höchste form des kampfes kommt dann zum ausdruck, wenn gemeinschaftliche wahrheit aus ihm resultiert. weil nun aber nur freiheit frieden hervorbringen kann, kommt erst die freiheit, dann der friede: freiheit des einzelnen, die gemeinschaftliche gestalt in der demokratischen (jaspers sagt auch: republikanischen) regierungsart gewinnt. eine solche regierungsart muss allerdings durch das volk gewonnen (!), darf nicht von oben aufgepfropft werden, denn eine nur formale demokratie bietet die ideale nährbasis für totale herrschaft - jaspers erinnert hier an die umstände von hitlers machtergreifung.

    weil aber auch freiheit nicht aus dem nichts kommt, sich zudem täglich bewähren muss, benötigt sie als grundlage wahrheit, anstelle von willkür und beliebigem meinen. entsprechend liegt wahrheit nicht zuerst im inhalt, sondern in der art und weise, wie dieser gedacht, aufgezeigt und diskutiert wird, oder, wie jaspers es formuliert: in der denkungsart der vernunft. was er damit (nicht) meint, demonstriert er am negativ-beispiel der damaligen atomwaffendebatte:

    "Nicht mehr freie Diskussion auf gemeinsamem Boden, vielmehr Verkündigung des einzig möglichen Weges zum Heil unter ausschliesslicher Heranziehung der zum Nein oder Ja passenden Gründe."

    denkungsart der vernunft - spätestens jetzt sollten bei uns die alarmglocken schrillen, gerade wenn es, wie kürzlich im polit-blog, um drängende gesellschaftliche fragen wie den multikulturalismus geht. was wir brauchen, sind tragfähige lösungen - keine rechte oder linke gesinnungsrhetorik. hitz, übernehmen sie.

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  21. Ich bin restlos überfordert damit, irgendwas zu übernehmen ausser meine eigene Meinung.
    Die noch immer laufende Diskussion über Multikulturalismus im Politblog zeichnet sich aber als hervorragendes Beispiel für debile Heilsverkündigungen heran. Denn wie man oder frau in dieser Diskussion lernen kann, ist sogleich ein jeder ein Rassist, Kulturalist oder zumindest faschistoid, der Zweifel daran äussert, dass Multikulturalismus wirklich der Weg zum gesellschaftlichen Heil ist. Leider reichen die schlappen 500 Zeichen, die einem der Politblog zugesteht kaum dafür aus, den Leuten mitzuteilen für wie unermesslich hirngewaschen und naiv man sie hält.
    Zu Jaspers noch dies, wobei mir bewusst ist, dass das beinahe schon reaktionär ist: Hätten wir im Westen noch Kenntnis von unseren kulturellen Grundlagen und wären wir nicht schon jahrzehntelang mit relativistischer Beliebigkeit hirngefickt worden, wären komplizierte Gedankenkonstrukte wie diese gar nicht nötig. Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit, nicht mit dem ersten Stein werfen, aber dennoch verteidigungsfähig bleiben...das alles ist nichts anderes als christlich oder ritterlich sein (und ich neige zu der Meinung, dass diese Verhaltensweisen nicht nur für das männliche Geschlecht reserviert sind).

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  22. damit, hitz, wären wir sogleich beim eigentlichen problem angelangt, denn die definition unserer kulturellen grundlagen ist eine verquickte sache. da gibt es einmal die überlieferten christlichen und antiken werthaltungen, sie werden in der renaissance von humanistischen denktraditionen aufgegriffen, ausdifferenziert und weitergereicht, bis sie sich am anbruch der neuzeit bisweilen im kontrast zu aufgeklärten philosophisch-ethischen positionen finden (auf den postmodernen relativismus wollen wir gar nicht erst zu sprechen kommen).

    kurzum: welche dieser 'wahrheiten' dürfen es für sie sein? sie sehen, ganz so einfach, wie sie es darstellen, ist es nicht. erkennbar wird dies in der regel in den kleinen moralischen dilemmen des alltags, die uns immer wieder zwingen, das kleinere von zwei übel zu wählen. akzeptieren wir das islamische kopftuch oder die jüdische kippa als ausdruck freier religiöser meinungsäusserung, oder fühlen wir uns durch ihre symbolik in unserem laizistischen empfinden beeinträchtigt?

    ich gebe es gerne zu: allerspätestens bei der burka hört bei mir die toleranz auf.

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  23. Nun, nichts ist so einfach, wie man es niederschreiben kann, soviel ist klar.
    Jedoch ist es durchaus nicht so, dass durch die Aufklärung die christlichen Wertehaltungen plötzlich obsolet geworden wären. Es geistert ja heute diese drollige Vorstellung durch die Köpfe, dass eines Morgens eine Aufklärung da war und dann plötzlich ganz andere Werte galten oder die Gesellschaft auf einmal auf völlig neuen Verbindlichkeiten beruhte. Das ist Unsinn, die christlichen Werte sind erhalten geblieben. Wir können noch so viele alte Griechen lesen und römisches Recht sprechen und indische Zahlen benutzen, unsere Vorstellungen davon, was Gut und Recht ist, sind christlich und der grösste gemeinsame Nenner, der die europäischen Staaten miteinander verbindet, ist die Geschichte des Christentums.
    Dass Sie nicht auf den postmodernen Relativismus zu sprechen kommen wollen, rechne ich Ihnen hoch an, denn dieser ist einer, der mir grenzenlos gegen den Strich geht.
    Was das von Ihnen genannte konkrete Dilemma anbelangt, kann ich allerdings sagen, dass es für mich erst in zweiter Linie mit der hier herrschenden Kultur zu tun hat. In erster Linie hat es damit zu tun, wie man sich verhält, wenn eine einem feindlich gesinnte Ideologie auf eigenem Grund und Boden Flagge zeigt. Vernunft, Überlebenstrieb und auch die Geschichte der letzten 1400 Jahre sagen hier recht deutlich: Nein, wir akzeptieren das Kopftuch nicht. Es ist die Flagge einer feindlich gesinnten Macht und da es Symbol ist, spielt es kein grosse Rolle, ob das jeweilige Individuum, das es trägt, eine feindliche Intention hat oder nicht. Der Gegenstand an sich ist feindlich und das ganz grundlegend.
    Die Kippa hingegen ist zu akzeptieren. Es gibt kein genuin jüdisches Bemühen, unsere Gesellschaftsformen anzugreifen oder in Frage zu stellen. Es gab nie jüdische Eroberungszüge, Versklavungskampagnen oder ähnliche Unannehmlichkeiten, folglich haben mich jüdische Kopfbedeckungen nicht zu stören.

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  24. natürlich ist die aufklärung keine gegen-christliche bewegung, da haben sie völlig recht. nur optieren ihre vertreter, wenn sie so wollen, tendenziell für vernunftgespeiste (manche, matussek zum beispiel, würden sagen, entseelte) glaubensvarianten. die theologischen themen, die verhandelt werden, kreisen um deistische vorstellungen und fragen der theodizee, fernab der vorstellungen eines strafenden, alttestamentarischen gott. und vergessen sie eins nicht: ohne die aufklärung gäbe es keine trennung von staat und kirche. ich persönlich halte dies für eine errungenschaft, hinter die ich nicht mehr zurückfallen möchte.

    wenn sie gesagt hätten: wir akzeptieren das minarett als flagschiff einer feindlich gesinnten macht nicht, hätten wir womöglich eine gemeinsame diskussionsgrundlage. beim kopftuch ist es schwieriger, denn: ist das einzelne individuum in erster linie als frommer gläubiger oder als vertreter einer eroberungswilligen religiösen gemeinschaft zu betrachten? die jüdische kippa zuzulassen, das muslimische kopftuch jedoch nicht, würde wohl zudem den rechtlichen strafbestand der diskriminierung erfüllen.

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  25. Die Errungenschaft der Trennung zwischen Kirche und Staat halte auch ich für ausserordentlich erhaltenswert. Ausserdem halte ich sie auch für sehr, sehr christlich, denn somit gibt man dem König, was des Königs ist und Gott, was Gott ist. Es ist somit auch kein Wunder, dass die Kirchen diese Trennung letztlich akzeptieren und sich damit arrangieren konnten.

    Die Diskussionsgrundlage haben wir auch so, denn das Minarett habe ich einfach nicht erwähnt. Ich rechne es aber zu der selben Symbolkategorie wie das Kopftuch. Es ist ja eine der Eigenarten des Islams, dass Symbole einen ungemein hohen Stellenwert besitzen.
    Aber um ihre Frage zu beantworten: Das einzelne Individuum in Kopftuch, Hijab, Niqab, Burka oder ähnlichem Gewand ist in seiner Selbstbeurteilung in erster Linie fromme Gläubige. In der notwendigen Sichtweise der westlichen Welt muss es aber in erster Linie als Vertreter einer eroberungswilligen religiösen Gemeinschaft angesehen werden. Jede andere Sichtweise ist eine Art von langsamem kulturellen Selbstmord. Hätten Sie diese Frage vor einigen hundert Jahren einem Bewohner der Stadt Wien gestellt, hätte er darüber gelacht, denn dieser Wiener hätte noch viel besser gewusst als wir heute, was die Hauptidee des Islams ist: die Expansion.
    Man kann auch andere Fragen stellen: War in Deutschland zwischen '33 und '45 jeder, der in der NSDAP war ein glühender Nazi oder evtl. einfach einer, der sich der herrschenden gesellschaftlichen Norm anpasste? Und spielte das für Juden, Polen, Franzosen oder andere irgendeine Rolle? Es spielt bei gewissen Ideologien keine Rolle, was das Individuum von sich selber denkt, solange es sich in die Uniform der Ideologie zwängt. Für diejenigen, die ausserhalb der ideologisch kreierten Welt stehen, ist dieses Individuum letztlich Teil der Masse, die sie überrollt.
    Der rechtliche Tatbestand der Diskriminierung sollte hier in dem Fall mal einer genauen Prüfung unterzogen werden. Umso mehr, als dass dieser Tatbestand z.B. bei Nationalsozialisten keine Anwendung findet. Denen kann man ihren kruden Glauben bzw. die lautstarke und symbolische Äusserung desselben ohne Weiteres verbieten, weil es ziemlich offensichtlich ist, dass der NS eine zerstörerische, mörderische und unzivilisierte Ideologie ist. Würden sich genügend Gesetzgeber die Mühe machen, den Koran und die Hadithen richtig zu lesen, müssten sie fast zwangsläufig zum Schluss kommen, dass es sich hierbei ebenfalls um eine solche Ideologie handelt.
    Ohnehin ist die Gleichbehandlung aller Religionen einfach nur Unsinn und wird auch nicht wirklich praktiziert. Man kann nur Religionen akzeptieren, die sich nicht das Ermorden der Ungläubigen auf die Fahnen geschrieben haben. Kein Mensch würde z.B. finden, dass der altkeltische Schädelkult als religiöse Äusserung akzeptiert werden müsste. Satanistische Menschenopfer werden auch eher mit skeptischen Augen betrachtet und die Sekte der Thugs fände bei uns vermutlich auch nicht viel Verständnis.

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  26. na ja, die trennung von staat und kirche war wohl eher so etwas wie eine zangengeburt, bedenkt man, wie lange man im westen dafür gebraucht hat. das trauma des 30-jährigen krieges hat das seine zu dieser entwicklung beigetragen. ohne tragödien scheint sich der mensch nicht weiterzuentwickeln.

    in sachen blutrünstigkeit scheint mir das AT dem koran wenig nachzustehen, aber diese spezialistendiskussion überlasse ich gerne der fraktion, die sich damit auskennt. auch scheint mir fraglich, ob man überhaupt von 'dem' islam sprechen kann, angesichts der heterogenen formen, die er in verschiedenen muslimischen ländern annimmt. ihn pauschal als zerstörerische, mörderische und unzivilisierte ideologie abzutun, scheint mir insofern doch etwas abenteuerlich.

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  27. Dass diese Trennung nicht einfach so geschah und dass der Mensch immer irgendwelche Tragödien benötigt, um in die Gänge zu kommen, ist leider traurige Tatsache. Dennoch bin ich der Ansicht, dass diese Trennung vor allem auch deshalb gelingen konnte, weil die Kirche sich auf eine Ideenwelt berief und beruft, die diese Trennung eigentlich verlangt.

    Nun, ich akzeptiere es, wenn Sie diese Diskussion nicht führen wollen, aber ich komme nicht umhin, festzustellen, dass Sie in diesem Zusammenhang einige der bei uns verbreiteten und trotzdem unwahren Platitüden verbreiten.
    Zum einen ist das AT für die Christen ein Geschichtsbuch und keine Handlungsanweisung, was DER entscheidende Unterschied zwischen Koran und AT ist. Zum anderen kann man in gewissen Grundmustern durchaus von DEM Islam sprechen. Sie werden x islamische Länder mit x verschiedenen Sitten und Gebräuchen finden, aber sie werden nirgends ein islamisches Land finden, das wirklich demokratisch, freiheitlich ausgerichtet oder in Geschlechterfragen auf Gleichheit programmiert ist. Die Türkei mag noch eine demokratische Grundordnung haben, aber sie als echte Demokratie zu bezeichnen, wäre ziemlich mutig.
    Und den Islam als zerstörerisch, mörderisch und unzivilisiert abzutun, ist nicht besonders abenteuerlich. Hierfür braucht es nur die Lektüre des Korans und der Hadithen und das Bewusstsein, dass diese Bücher nicht gleich zu lesen sind wie die Bibel, sondern als Gebrauchsanweisungen fürs Leben.
    Ein Beispiel hierfür von einer Seite von und für Moslems:
    http://www.islam-qa.com/en/ref/26785/jews

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  28. Nur sehr kurz:

    Trennung von Kirche und Staat? Iwo!
    das hiesse den Staat auf die gleiche Ebene zu heben, wie die Kirche, wie verfasste Religion, wie die sakrale Tradition und gelebte Spiritualität.

    Oder eben: all dies herunterzureissen auf die Ebene von Wandelhallentalk und Kabinettsbesprechungen.

    Diese "Trennung" ist eine Illusion und nur weil wir Krämerseelen heute den Staat anbeten und zusehends verlangen, dass alles Gute von ihm komme, heisst das noch lange nicht, dass viel tiefere und grössere Verfassungen uns leiten und führen.

    Dieser Wunderglaube an die Allmacht des Staates - der die Gesellschaft wie eine Maschine umgestaltensoll, wenn man ein bisschen daran herumschraubt und Knöpfe drückt (und ganz viel Batzeli in den Münzschlitz hineinwirft) - ist es nicht die ultimative Perversion des sekulären Totalitarismus?

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  29. Mila hat es sehr richtig geschrieben: Frieden nicht nur als gesellschaftlicher "äusserer" Friede, als Nicht-Krieg definiert, sondern als Seelenfrieden.

    Schon bei Hobbes der Begriff der Angst: Sicherheit, Schutz Gesellschaftsvertrag. Sonst droht bellum omnium contra omnes.

    Wer in Angst lebt, lebt nicht in Frieden und ist schon gar nicht frei.

    Jasper bemüht den Begriff der Wahrheit. Zysi meint: "DEN frieden und DIE freiheit haben wir als kostprobe zu erfahren; und nicht mehr." - das müsste dann auch für die Wahrheit gelten.

    Schmunzelschmunzel aus der Kontruktivistenecke.

    Hitz: nachdem sich die Menschen jahrhundertelang nichts eher gewünscht haben, als in Frieden (und Wohlstand) zu leben und "pursue their interests" - ist es nicht etwas höhnisch, diesen Wunsch als pazisfstischen Chabis abzutun?
    Anders gefragt: hat ihr Grossvater damals nach der Generalmobilmachung auch an der Grenze Dienst getan? Fragen sie ihn mal, ob er damals Nacht für Nacht den Frieden als komplett überbewertetes, pazifistisches Hirngespinst abtat!

    Im Übrigen teile ich natürlich ihre Einschätzung gegenüber dem Islam. Wenn auch aus anderem Grund: mir ist egal, was die mit ihren Frauen treiben oder welche Rechtsnormen sie für sich geltend machen.
    Aber die aus dem Koran sich speisende Kriegshaltung den Anderen gegenüber nehme ich als das auf, was es ist: eine unterschwellige Kriegserklärung. Wenn man schon herausgefordert wird, sollte man sich auch in den Ring begeben, finde ich.
    Und wenn das hier sein soll, in u n s e r e m Haus, denn bitte. Sonst gerne auch overseas. Nach Bushs Versprecher 2003 lief alle Welt Sturm - die westliche Welt!! Wie pervers ist eigentlich das?

    Und, mila, dann ist es mir egal, ob "der" Islam jetzt ein pakistanischer oder südasiatischer oder arabischer oder sogar europäischer Islam ist. Es ist das gleiche Buch, oder?

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  30. Noch dies: mit Kirche ist ja nicht die Institution gemeint, diese Funktionäre mit Grund- und Immobilienbesitz, sondern Gott selber. Gott als allumfassende "verfassung" der menschheit.
    An seine Stelle kommt der Gesellschaftsvertrag. Aus Priestern werden Juristen.
    Dieser säkuläre Wahn hat schon Hobbes genährt. Und später die Aufklärer dankbar aufgenommen. Gott ja - aber nur als Zuschauer.

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  31. @Astrid, zoë

    Nur soviel: Irgendwann in meinem Leben kam ich zu dem Schluss, dass jede Esther die ich kennenlerne ein Gnusch in ihrem Beziehungsleben hat und sich nicht richtig einzulassen vermag. Es waren schöne Frauen, moumou.

    Bitte klickt doch auf meinen Namen, kommt in meinem Blog vorbei und lest und kommentiert. Dor habe ich ein Thema, dasm ich wirklich beschäftigt in meinem wirklichen Leben.

    Ich hatte noch nie soviel Besucher an einem Tag, fast 400. Das Thema interessiert also die Leute und dennoch diskutiert fast niemand mit. Also habt den Mut!!

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  32. Max, geben Sie mir doch mal einen direkten Links. Ich gerate immer an einen Jürg Brechbühl, dessen letztes Thema SBB-Interna zu sein scheinen - tut mir leid, aber das interessiert mich überhaupt nicht. Und das Thema aus dem wirklichen Leben bzw. Beziehungsleben, von dem Sie schreiben, finde ich nicht......

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  33. bin unterwegs, daher nur kurz: max, ich schau vorbei, versprochen.

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  34. @Astrid

    Also hier der direkte Link zu meinem wirklichen Leben und dem Thema, das an mir nagt.

    http://millionenjagd.wordpress.com/2011/07/10/beobachtungen/

    Ist aber nicht zu meinem Beziehungsleben. Die Esthers sind Tabu für Blogs, wie auch meine übrigen verflossenen..

    SBB interna? Das kommt mir aber komisch vor!

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  35. @alle

    Also, die Einladung zum Mitdiskutieren war nicht nur an Astrid und zoë sondern an alle. Habe mich wohl missverständlich ausgedrückt.

    http://millionenjagd.wordpress.com/2011/07/10/beobachtungen/

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  36. O: "Pazifistischer Chabis" haben jetzt Sie gesagt. Ich hätte mich gewählter ausgedrückt und vielleicht "Hippiezeugs" gesagt. :-D
    Meinen Grossvater kann ich schlecht was fragen, da ich selten an Séancen gehe, aber ich weiss, dass er damals mobil gemacht wurde und entgegen der heute weit verbreiteten Ansicht war das kein Klassenausflug, wo alle sich ins Fäustchen lachten und sich sicher waren, dass sie von Banken, duckmäuserischen Politikern oder irgendwelchen Mauscheleien gerettet würden. Nein, mein Grossvater war durchaus überzeugt davon, dass Nazideutschland aggressiv genug war, die Schweiz früher oder später anzugreifen und er war bereit dazu, seine Freiheit sehr unfriedlich zu verteidigen. Und da wären wir schon wieder beim Thema: Mich hat nur die hierarchisch gleiche Nennung von Friede und Freiheit gestört. Natürlich hat sich mein Grossvater Friede gewünscht, aber wenn der Preis für diesen Frieden seine Freiheit gewesen wäre, dann wäre ihm der Krieg durchaus willkommen gewesen.
    Ihre Einschätzung bezüglich des Islams kann ich unterschreiben. Und ich finde es zwar widerlich, inakzeptabel und hässlich, was in islamischen Gesellschaften alles stattfindet, aber ich bin schon auch der Meinung, dass der Hauptgrund, den Islam bei uns abzulehnen nicht irgendwelche subjektiven Vorlieben bezüglich Gemeinschaft sein sollte, sondern ganz einfach und nüchtern die Tatsache, dass der Islam seit 1400 Jahren unserem Weltteil den Krieg erklärt hat (und diese Kriegserklärung ist überhaupt nicht unterschwellig. Sie ist ausserordentlich deutlich in dem heiligen Buch dieses Kulturkreises niedergelegt).
    Pervers ist noch vieles in unserem Verhältnis zu der islamischen Welt. Pervers und selbstmörderisch, aber früher oder später werden die westlichen Wohlstands-Couch-Potatoes das hoffentlich noch merken, dass man Leuten, die einem Todfeindschaft und Sklaverei versprochen haben, nicht noch Geschenke macht oder sie in ihren blödsinnigen (Bürger-)Kriegen unterstützt.

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  37. Max, Entschuldigung, habe da was verwechselt....

    Muss allerdings gestehen, dass ich etwas enttäuscht war, dass das 'Muulverrücktmacherli' (Esther, Beziehungen etc) dann doch überhaupt keine Rolle spielt.... Das ist nämlich das, was mich interessiert.

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  38. @Astrid

    War gar nicht so gemeint. Ich habe einfach zwei verschiedene Themen in einen post hineinverwurstet und in Eile geschrieben.

    Bei der Mobbinggeschichte an der Uni gibt es schon noch saftige Details, die nach Ihrem Geschmack wären. Aber die haben in jenem Blog keinen Platz, weil sie die falschen Personen treffen täten. (Stichworte: Balzverhalten, Teilnehmerinnen: 7 junge Frauen und ein einziger junger Mann...).

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  39. @O.

    Bitte bei Blogeinstellungen die Zeitzone umstellen auf Mitteleuropa.

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  40. hitz, das AT als geschichtsbuch? ohne berufung auf die formel 'auge um auge' könnte eine im kern religiös verkittete nation wie die USA die todesstrafe moralisch nicht rechtfertigen. um vergleichende aussagen über den koran tätigen zu können, müsste ich ihn schon gelesen haben. das habe ich nicht, und werde es auch nie; dafür reicht mein interesse an der thematik schlicht nicht aus. aber: der 'eroberungswille', den sie DEM islam attestieren, scheint mir am ende ein ökonomisch bedingter zu sein. waren nicht schon die kleinasiatischen barbarenhorden, die das osmanische joch nach europa brachten, von dem ehrgeiz nach einem besseren leben getrieben? religion als legitimatorisches deckmäntelchen für handfeste wirtschaftliche interessen; die kriegserklärung wäre damit keine (rein) ideologische.

    orlando, das was sie beschreiben ('aus priestern werden juristen'), die säkularisierung, ist in wahrheit ein nie abgeschlossener prozess; am beispiel usa tritt dies besonders deutlich zu tage, u.a. aber auch an der kirchensteuer für juristische personen in der schweiz. ich nehme an, sie werden sich des themas demnächst eingehender annehmen?

    max, in diesem blog haben saftige details durchaus einen platz: sowohl was die esthers, als auch was das universitäre balzverhalten betrifft... wir (astrid und ich) warten.

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  41. @zoé: Kreuzfalsch. Fast alles.
    Marxistische Geschichtsschreibung zieht hier nicht, die Osmanen hatten keinen anderen Grund als ihren (theologisch begründeten) Expansionswahn um bis nach Wien vorzudringen und es zu belagern 1683. Machtdemonstration. Westeuropa war damals keineswegs ein wirtschaftliches Paradies und die Osmanen ein Entwicklungsland.

    Und bitte bedenken sie, dass die Todesstrafe in den USA vom Supreme Court 1972 für verfassungewidreig erklärt wurde. Haben die Riochter da vielleicht über theologische Begründungen nachgedacht. Und 1967 wurde sie vom gleichen Gremium wieder eingeführt. Haben die da nocheinmal nachgedacht? Heute haben die meisten Gliedstaaten die Todesstrafe. Nur 12 Bundesstaaten kennen die Todesstrafe nicht, viele davon seit dem 19. Jahrhundert, darunter Wisconsin, Ilinois, Minnesota, Iowa. Schon mal etwas vom Bible Belt gehört? Haben sich diese Staaten auch theologische Gedanken gemacht?

    Sie sehen, die Bibel kann von beiden Seiten zu Recht für ihr Argumentarium beigezogen werden. Hingegen ist der Koran in seinen Anweisungen wer wie warum getötet werden soll, ziemlich konkret. Lässt keinen Raum für Interpretationen. Und Hände abhacken oder Steinigungen sind dort meist nicht im Übertragenen Sinn gemeint!

    Mit den Juden teilen wir die Geschichten des AT. Wolemn sie den Juden vorwerfen, sie hätten sich bei Eichmann dumpf-vorgestrig auf das Prinzip "Auge für Auge" entschieden, diese religiösen Fundamentalisten?

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  42. @orlando
    Denn wir erkennen stückweise, und wir prophezeien stückweise; wenn aber das Vollkommene gekommen sein wird, so wird das, was stückweise ist, weggetan werden.

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  43. zu den osmanen noch was aktuelles, untermauerndes...
    http://www.faz.net/artikel/C30351/tuerkische-justiz-ich-moechte-keine-marionette-der-regierung-sein-30333852.html

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  44. o., auf basis des NT lässt sich die todesstrafe jedenfalls nicht rechtfertigen. und in den USA muss immer (noch) potentiell alles mit einer höheren macht in einklang gebracht werden, zumindest ideell. oder weshalb schwört man vor gerichten noch immer auf die bibel? dankt gott in öffentlichen reden für seine geistige führung auf dem weg zum erfolg? ich bleibe deshalb bei meiner aussage: das AT gilt in den augen gewisser christlicher gruppierungen ganz sicher nicht als überholtes geschichtswerk.

    die osmanen kamen aus der bettelarmen kleinasiatischen steppenlandschaft. die mohammedanischen verlautbarungen trieben sie zu einer expansionsbewegung an, die in erster linie wirtschaftliche vorteile brachte. allein auf basis von religiösem fundamentalismus lässt sich der aufstieg des osmanischen reiches nämlich nicht verstehen. bedenken sie: alles, was diese besatzer interessierte, war die finanzielle ausbeutung der besetzten gebiete. weder ging es um eine totale religiöse unterwerfung, noch um eine ökonomische oder kulturelle weiterentwicklung derselben.

    als letztes: ich habe nirgends gesagt, das 'auge um auge'-prinzip sei dumpf-vorgestrig. vielmehr gehören solche überlegungen für mich zum rahmenkreis der bereits erwähnten moralischen dilemmen - gerade wenn es um jemanden wie eichmann geht.

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  45. nachtrag: ja, es gibt sie noch, die christen auf dem balkan, und sie sind so wenige nicht. weshalb das? die konversion zum islam brachte in jeder hinsicht gesellschaftliche vorteile mit sich, es bestand jedoch kein konversionszwang. politische machtdemonstration - ja. aber nicht ein umfassender wille zur religiösen bekehrung.

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  46. Mit dem osmanischen Reich und den Gründen für seinen Expansionsdrang haben sie wohl recht. Der Dschihad spielte allenfalls eine untergeordnete Rolle. Und man muste von innepolitischen Problemen ablenken. Viel Militär und Krieg hilft dabei.
    Ich wandte mich aber gegen ihr "Ehrgeiz für ein besseres Leben", das klingt so, als ob es die Vorläufer der tunesischen oder nigerianischen Männer wären, die jetzt über Lampedusa ins europäische Kernland drängen um auch ein Stück des Kuchens zu haben.

    Im übrigen: Die Kreuzfahrer bekehrten auch niemanden, die Konquistadores auch nicht. Sie töteten einfach alle, die sich ihnen in den Weg stellten. Es ging bei den "christlichen Expansionen" um 1100 um Jerusalem, um nicht anderes. Hingegen die Osmanen: Wien ist nicht eine heilige Stadt des Islam, oder?

    Wieso ist es bei Eichmann ein Dilemma und bei einem Vergewaltiger-Mörder nicht? Können sie mir das erklären?

    Zur "one nation under God" wird es bei Novalis noch zu reden geben. Daher unterlasse ich das hier.

    @Tysi: Eschatologie, ja. Und: ja genau, der Unterwerfungsgedanke ist bei den modernen Osmanen und Muslimsbrüdern bsonders beliebt. Wie sagte Erdogan 2003: "Unsere Moscheen sind die Kasernen und unsere Minarette die Speere einer Vorhut" o.s.ä.

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  47. 'ehrgeiz nach einem besseren leben' - das stichwort habe ich eigentlich von ihnen übernommen. und runtergebrochen auf einen weniger pathosbehafteten bedeutungsgehalt - respektive auf die rein materielle ebene -, behält es seine gültigkeit, gestern wie heute.

    ich sagte: gerade bei eichmann. das schliesst den vergewaltiger-mörder nicht per se aus. astrid hat sich kürzlich in der lounge zu diesem thema geäussert und dabei einiges angesprochen, dem man vom bauchgefühl her umgehend zustimmen möchte. aber wie halten sie es eigentlich als überzeugter christ mit dieser frage? gilt für sie die sicht des AT, oder diejenige des NT?

    her mit dem novalis. und sagte erdogan nicht auch noch etwas über die bäuche der frauen?

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  48. 1) ein Christ kann man nicht aus "Überzeugung" werden, zoé, sondern durch Erkenntnis.

    2) in welchem Paragrafen formuliert das NT ein Verbot der Todesstrafe genau? Nur damit ich es nachschlagen kann.

    3) Kann man wählen zwischen verschiedenen "Sichten" innerhalb der Bibel?

    Mit dem Dilemma waren sie auf einer besseren Spur. Es gilt aber immer. Deshalb ist die Todesstrafe nicht per se schlecht.

    Waren die Bäuche die Kasernen, die Moscheen die Helme und die Minarette die Speere? Irgendwie so.

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  49. o., danke, sie sagen es selbst: die bibel offeriert verschiedene sichtweisen ("du sollst nicht töten", "auge um auge", "liebet eure feinde", "mein ist die rache" etc.). was davon gilt nun in welchem kontext?

    der NT-christ wird wohl an der bergpredigt festhalten und sich daher gegen die todesstrafe aussprechen. zur erinnerung:

    "Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner? Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun nicht dasselbe auch die Heiden? Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist."

    zudem: definieren sie erkenntnis.

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  50. Zoé: Wo fange ich jetzt an?
    Also zum ersten: In streng christlichem Sinne ist das AT ein Geschichtsbuch und es ist daher recht unerheblich, was ein paar durchgeknallte Evangelikale, die sich, wie O mit seinem Bible Belt-Beispiel darlegt, erst noch nicht einig sind. Aus diesem Grunde entdecke ich in meinem Agnostizismus auch zunehmend Sympathien für die katholische Kirche. Diese macht sich nämlich die Mühe und betreibt eine seriöse Exegese und stützt sich vor allem auf Jesus Leben und Wirken in ihrer Auslegung (und wenn Sie jetzt damit kommen, dass sie das nicht immer in ihre Handlungen einfliessen liess: Jänu, geschenkt).
    Zum zweiten: Die materiellen Gründe, die Sie erwähnen waren bei der Ausbreitung des Islam durchaus vorhanden, was kein Wunder ist, war doch Mohammed selber schon ein Karawanenräuber. Es sind die selben materiellen Gründe, die jeden Strassenräuber antreiben. Weniger die Verzweiflung als vielmehr die Faulheit und Einfallslosigkeit, die ihn das Nächstliegende tun lassen.
    Ausserdem waren die kleinasiatischen Barbarenhorden, womit Sie vermutlich die Osmanen meinen, nicht einfach so umwegslos nach Europa gekommen, sondern ihr Weg führte zuerst über die arabisch beherrschten Länder. Diese wiederum hatten auch schon eine Geschichte der Expansion des Islams hinter sich und es war eben nicht einfach der Hunger oder sonst ein Sozialkitsch, der sie angetrieben hatte, sondern die Raublust von Sklavenhaltergesellschaften, die erst noch mit einer heiligen Mission ausgestattet wurden.
    Die Expansion nach Europa war ökonomisch absolut nicht notwendig, hielten die islamischen Staaten doch schon recht reiche Ländereien und es war in ihren Gesellschaften durchaus kein Elend und keine materielle Verarmung, die die Leute zu irgendwas trieb. Diese Sichtweise ist diejenige von postmodernen Sozialarbeitern, die immer davon ausgehen, dass jeder Schlagetot, solange er nicht weiss und männlich ist, von der Gesellschaft, der Natur oder sonstwas zu seinem Handeln gezwungen wurde.
    Wieso auf dem Balkan noch so viele Christen vorhanden sind, ist auch recht einfach zu erklären: Die islamischen Herrscher ermutigten die Eroberten selten zur Konversion, denn nach dieser schuldeten sie nicht mehr die Kopfsteuer der Ungläubigen und eigneten sich ausserdem auch nicht mehr als Sündenböcke, um gesellschaftliche Spannungen innerhalb der Gemeinden der Rechtgläubigen abzubauen. Es war ja kein Zufall, dass Christen und Juden in islamischen Gesellschaften oftmals mit dummen Hüten oder ähnlichem Firlefanz angetan rumlaufen mussten. Ebenfalls schwierig wäre es geworden, die Versklavung der Eroberten zu rechtfertigen, wenn sie konvertiert wären, denn eigentlich dürfen nur Ungläubige in die Sklaverei gezwungen werden. Diese aber reichlich und es gibt bis heute keine namhafte islamische Autorität, die davon Abstand nähme. Wie könnte sie auch, würde sie damit doch dem Propheten widersprechen.
    Ausserdem möchte ich Sie noch auf einen Widerpsruch aufmerksam machen: Sie streiten eine ideologische, also glaubensgesteuerte Verhaltensweise der islamsichen Expansionisten ab und versuchen sie mit ökonomischen Gründen in den Adelsstand der Rationalität zu erheben, aber den Amis unterstellen Sie irrationale, durch das AT gestützte Gesetze. Ich kenne Sie nicht und möchte Sie nicht persönlich angreifen, aber aus eigener Erfahrung weiss ich, dass dies ein typisch linker Denkfehler ist. Demnach sind Leute westlich des Bosporus und südlich der Alpen nämlich immer durch Ökonomie, Unterdrückung, Diskriminierung oder Unverständnis in ihren Taten gerechtfertigt, während weisse Westler hingegen (am schlimmsten: Männer) zu jeder ideologischen, irrationalen und abgrundtief bösen Schandtat fähig sind. Hierzu einfach einen kleinen Denkanstoss: Die Sklaverei wurde von weissen Männern abgeschafft und bekämpft.

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  51. "Liebet eure Feinde" - das kann nur das Opfer des Vergewaltigungsmörders oder dessen Hinterbliebene, finden sie nicht auch?

    "Du sollst nicht töten" - was, wenn der Verurteilte selber gegen dieses Gebot verstossen hat? Der Dekalog wendet sich an Individuen, darum geht es darin um persönliche Verhaltensweisen, alles Dinge im kleinen, privaten Verhalten (Ehebruch, Diebstahl, Zeugniss, Eltern ehren, Götter haben etc.) und nicht darum, wie die menschliche Gemeinschaft gestaltet sein soll nach dem Willen Gottes.
    Der Dekalog enthält ja auch keine Anweisungen zur Sanktion bei Nichtbeachtung. David hat Goliath auch getötet. Ist er deshalb ein Sünder?

    Ich selber denke, man kann sich als Gemeinschaft solche Dilemmata sparen, wenn man auf die Todesstrafe ganz verzichtet. Das ist aber weder zivilisatorisch fortschrittlicher noch moralisch gerechtfertigter. Und scon gar nicht ist das eine christlicher als das andere.

    Ihre Unterscheidung finde ich seltsam: AT-/NT-Christen...

    Wissen sie, zoé, von wegen was in welchem Kontext Geltung hat: dafür hatte man früher Konzilien, wahre Interpretations-Grabenkämpfe, einen lebendigen Diskurs innerhalb der einen, heiligen Kirche und die päpstliche Autorität. Seit Luther darf jeder wie aus einer Pralinenschachtel auswählen, was ihm gerade zupass kommt in seinem Stübchen.
    Wenn sich also Mehrheiten aus Christen in einem Land zusammenfinden, die Todesstrafe gutzuheissen und anzuwenden und in einem anderen Land andere Mehrheiten entscheiden, sie mit Begründung auf christliche Werte abzuschaffen - mir soll das recht sein. Habe beide Male nichts dagegen.

    Zur Erkenntnistheorie können ihnen andere besser Auskunft geben als ich. Und ich halte hier sicher kein Glaubens/Nichtglaubensseminar ab.

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  52. hitz, sie lesen wie kollege o. allzu leichtfertig über die feinen, kleinen differenzierungen in meinen wortmeldungen hinweg. den amerikanern habe ich so zum beispiel keinen irrationalismus unterstellt, und ich habe auch nicht gesagt, die osmanische expansion sei nicht auch ideologisch-religiös untermauert gewesen. allerdings geht es mir um ein vielschichtiges denken.

    und wenn sie es so betrachten wollen: worin unterscheiden sich die alexandrinischen oder römischen expansionsbestrebungen von den osmanischen? sie waren genauso wenig allein durch ökonomische notwendigkeiten begründet, genauso stark von ideellen wie politischen machtmotiven getrieben, genauso blutig etc. ein multikomplex an ursachen sozusagen. weshalb beurteilen wir sie historisch so völlig anders? ganz einfach: sie brachten fortschrittsweisende kultur in kulturell unterentwickelte gebiete. die osmanen hingegen brachten - im gegensatz zu den arabern, wohlgemerkt - nur unterdrückung und rückständigkeit. merke: geschichte lässt sich nie auf ein, zwei faktoren runterbrechen, dafür ist die lebensweltliche realität viel zu komplex.

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  53. @Hitz: "...postmodernen Sozialarbeitern, die immer davon ausgehen, dass jeder Schlagetot, solange er nicht weiss und männlich ist, von der Gesellschaft, der Natur oder sonstwas zu seinem Handeln gezwungen wurde."

    LOL! - Die besten Beispiele sind Osama Bin Laden und Mohammed Atta (Gott hab sie unselig!): kein freier Wille, nicht wahr, die sozialen und politisch-ökonomischen Umstände (genauer: Israel) zwang sie fast dazu, Terroristen zu werden.

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  54. genau, o.: es ist ein stetes ringen der christlichen glaubensgemeinschaft(en) um die 'richtige' auslegung. nicht mehr und nicht weniger wollte ich zu verstehen geben.

    zum NT-christen: jesus sagt deutlich "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, denn durch mich." - seine botschaft ist klar: wo altes und neues testament gegenläufig aufeinanderprallen (und sie tun es meinen bescheidenen kenntnissen nach gelegentlich), haben seine lehren zu gelten. sie können mich jedoch gerne eines besseren belehren.

    erkenntnis ist, zumindest in der heutigen wortsemantik, ein wissensbezogener begriff. der christ aber glaubt. damit einen schönen nachmittag!

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  55. zu erdogan:
    Und bis heute wird Erdogans folgende entlarvende Äußerung (gehalten bei einer Rede als Oberbürgermeister von Istanbul) sowohl seitens der Medien als auch der EU-Politiker entweder verharmlost oder schlichtweg ignoriert:

    „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“ (Quellen: Udo Ulfkotte – Heiliger Krieg in Europa S. 92; SWR-Radiosendung vom 19.4.2002 “Erbakan und seine Erben – Islamismus in der Türkei”; Die Welt – Der Islamist als Modernisierer)

    Diese Worte sollten besonders uns Deutsche nachdenklich machen. War es doch kein Geringerer als Joseph Goebbels, der in seinem Artikel mit dem Titel „Was wollen wir im Reichstag?“ (in „Der Angriff“ vom 30. April 1928) die Strategie der Nationalsozialisten mit folgenden Worten beschrieb:

    „Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeodnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahmzulegen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre Sache…“


    zu AT/NT nur kurz:
    der hauptsächliche unterschied liegt im verständnis des bundes, welcher gott mit den menschen schliesst; im AT auf einen stein gemeisselt und im NT ins herz geschrieben. die aussage des evangeliums (=gute nachricht) sind in beiden enthalten; so man es denn lesen und verstehen tut.

    zur erkenntnis, finde ich dass ihr letzter satz, mila, dies bereits ausdrückt ;-) :
    Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.

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  56. PS an hitz:

    sie sagen es ja selber: die genuin religiöse motivation der osmanen - die verbreitung des glaubens - war deutlich kleiner als die ökonomische - die einforderung der kopfsteuer.

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  57. Aus Mangel an Zeit, hier nur kurz eine Antwort zu Ihrem letzten Eintrag, Zoé: Hier schliessen sich religiöses und ökonomisches Motiv überhaupt nicht aus. Ersteres befiehlt sozusagen das Zweite. Die Ungläubigen sind gut genug, für die Rechtgläubigen zu zahlen oder zu sterben. Eine Sklavenhalterreligion und -gesellschaft in der ursprünglichsten Form.
    Ich stelle ausserdem fest, dass mich das Wort "ökonomisch" in diesem Zusammenhang ein wenig stört. Im Diskurs über den Islam und die islamische Geschichte werden immer wieder solche Worte bemüht, die dem Ganzen einen recht trockenen Anstrich geben und irgendwie das Bild von ein wenig asymmetrischen Handelsbeziehungen entstehen lassen, wohingegen man bei den westlichen Kolonialmächten nie so vernünftelnd von Ökonomie redet, sondern davon, was es war: Ausbeutung und Raub (und dies übrigens in weit geringerem Ausmasse als das, was die Araber und Osmanen in ihrer langen Geschichte betrieben haben).

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  58. @zoé: ein Ringen ja, weil es keine Kirche mehr gibt. Dafür haben die Reformatoren gesorgt.

    Sie haben behauptet, dass es in Amerika die Todesstrafe nur gebe, weil sich die "religiös verkittete" Gesellschaft dort auf die Bibel bezieht. Gilt das nun fürs weiss-konservative Wisconsin (das sie abgeschafft hat) oder fürs bunt-multiethnische-progressive Kalifornien (das sie wieder eingeführt hat)?
    Ihre Argumentation ist nicht stringent.

    Zu denken geben möchte ich sodann, was eben in unserem neuen Jahrtausend an die Stelle der Bedrohung durch das Osmanische Reich getreten ist, mit dessen Grossmachtattitüde: der Islamismus!
    (danke Zysi für das korrekte Zitat).

    Dann: könnte es sein, dass sie die heilige Schrift mit dem Obligationenrecht verwechseln? Dort gelten nämlich stets die Grundsätze des Allgemeinen Teils (AT, Art. 1 - 183), wenn nicht explizit in den besonderen bestimmungen in einzelnen Vertragsarten (BT, Art. 184 ff.) etwas anderes verfügt ist.

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  59. Zoé, nun die etwas längere Antwort:
    Ich glaube, diese Diskussion könnte noch ewig so weitergehen, nein, ich weiss es sogar, denn ich habe sie schon x-mal geführt.
    Das Grundproblem bei dieser Diskussion ist eigentlich, dass Sie von völlig falschen Prämissen ausgehen und das sind diejenigen, die sich vor allem nach dem zweiten Weltkrieg epidemisch ausbreiten konnten, weil jeder Westeuropäer auf einmal ganz furchtbar schuldbewusst wurde und die Überzeugung wuchs, dass wir weissen Menschen mit kaukasischen Wurzeln die grössten, übelsten, ausbeuterischsten, grausamsten und räuberischsten Raufbolde auf dem ganzen Weltschulhof sind, während alle anderen nichts weiter als friedliebende, missverstandene Nerds darstellen. Ich gebe es zu, es war meine politische Heimrichtung, die diesen Nonsens in die Welt setzte, die Linke.

    Nun ist es aber in der richtigen Welt so, dass das schlichtweg nicht stimmt und all die daraus resultierenden Irrtümer sind auch falsch.
    Man kann das Christentum unmöglich mit dem Islam vergleichen, weil es zwei vollkommen verschiedene Weltanschauungen sind.
    Man kann auch nicht alle Kulturen miteinander vergleichen, weil die einen auf Fortschritt, Konstruktivität und soziales Miteinander ausgerichtet sind, während die anderen archaisch, rückwärtsgewandt und destruktiv sind.

    Das Christentum z.B. ist, entgegen allen anderslautenden Gerüchten, eine Religion, die dazu erdacht wurde, die Menschen zu einen und zu Demut und Bescheidenheit zu erziehen. Das Samaritergleichnis lehrt uns, dass auch derjenige mit dem falschen Glaube derjenige sein kann, der das richtige tut. Die Geschichte von Maria Magdalena lehrt uns, dass wir nicht mit Steinen um uns werfen sollten, wenn wir im Ziel der Steinwürfe doch nichts Anderes sehen als uns selbst.

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  60. Die katholische Kirche besteht auch nicht wirklich aus reaktionären Hohlköpfen, sondern einfach aus Gläubigen, die summa summarum mehr Gutes als Schlechtes auf die Welt loslassen und losgelassen haben. Es war - und Gott alleine weiss, weshalb das heute alle vergessen haben - die katholische Kirche, die recht entschieden gegen die Hexenverfolgung Stellung bezog. Einzig Papst Innozenz VIII unterzeichnete die Hexenbulle, alle anderen katholischen Autoritäten vorher und nachher lehnten die Hexenverfolgung entschieden ab, weil es ihrer Meinung nach so etwas wie Hexen gar nicht gab.
    Es waren vor allem reformierte Gebiete, in denen die grössten Hexenkampagnen stattfanden und dies wiederum zeigt uns, dass das Christentum dort jeweils am Schlechtesten war, wo es von blöden Fanatikern ausgeübt wurde, die keine Ahnung von christlicher Exegese hatten.

    Der Islam wiederum beging von Beginn weg Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten en masse und dies aus sehr gutem Grunde: Der Prophet segnete diese Dinge ab und verlangte sie sogar von seinen Schäfchen. Kann man diesen Propheten nun mit Jesus vergleichen (denn das müsste möglich sein, wenn man beide Religionen als irgendwie gleichwertig bezeichnen möchte)? Nein, unmöglich. Kann man nicht. Nie. Die zwei redeten von völlig verschiedenen Dingen, waren völlig verschiedene Menschen. Der eine war ein hochgebildeter und weiser, tiefsinniger Mann, der andere war ein ungebildeter, analphabetischer, narzisstisch gekränkter Irrer mit Räuberkarriere und ohne jede Skrupel.

    Aus Gründen, die mir nicht bekannt sind, herrscht heute eine grenzenlose Konfusion und Unwissenheit, wenn es um die Geschichte des Verhältnisses zwischen Islam und Europa bzw. zwischen Islam und Christentum geht. Sie sind dafür ein gutes Beispiel, wenn ich auch anhand ihrer Schreibe annehme, dass Sie lernfähig sind.

    Noch ein kleines geschichtliches Schmankerl: Sie sagen, dass das osmanische Reich im Gegensatz zu den Arabern nichts konstruktives gebracht hätte und das ist nur zur Hälfte wahr, obgleich es so ist, dass das heute alle glauben. Aber in Wahrheit haben auch die Araber niemandem was gebracht. Arabische Zahlen? Gibt es nicht, das waren eigentlich indische und die Araber haben das Konzept davon den Indern geklaut. Arabische Medizin? Pustekuchen, das war persische Medizin und die Araber haben das Wissen davon ebenfalls geklaut und dann einfach für sich reklamiert. Ungefähr so wie die Türken heute den Wiederaufbau Deutschlands für ihre Gastarbeiter reklamieren.

    Es ist so, dass es eigentlich noch nie ein nomadisches Räubervolk (und darum handelte es sich sowohl bei den Turkvölkern wie auch den arabischen Beduinenstämmen) gab, das der Welt irgendwas kulturell Wertvolles gebracht hätte ausser unter dem Sattel weichgerittenes Fleisch (und sogar das ist nur eine Legende) und ziemlich viel Krieg. Ich weiss, dass man Sowas heute ja nicht mehr sagen darf, weil ja eben jede Kultur irgendwie niedlich ist und Nomaden ja ein ganz doll romantisches Leben führen und überhaupt und sowieso. Aber Kultur kam eigentlich immer nur von den Völkern, die eine sesshafte, städtische Lebensweise kannten: Griechen, Römer, Perser, Franken, Kelten, Ägypter etc. etc.

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  61. Es gibt übrigens durchaus einen Unterschied zwischen der römischen Expansion und dem römischen Imperialstreben und dem osmanischen. Die Römer brachten auf längere Sicht in jedes von ihnen beherrschte Gebiet Stabilität, Rechtsfrieden und Prosperität. Es war kein Zufall, dass sich die Festlandkelten praktisch völlig romanisieren liessen. Es war bequem und einträglich, Römer zu sein. Bei den Osmanen sah das dann doch etwas anders aus. Es war eine unsichere und ständig bedrohliche Sache, im osmanischen Reich ein Ungläubiger zu sein und auch als Gläubiger war Rechtssicherheit nicht gerade selbstverständlich.

    Weil die Welt heute per Dekret aus lauter Gleichen besteht, in denen ein kleiner, vernünftiger Westeuropäer lebt, der nur herausgekitzelt werden muss und weil darum sich alle ganz fest lieb haben müssen und wir Westler einfach als erstes zu unseren Fehlern stehen und am liebsten auch noch diejenigen von Anderen auf uns nehmen müssen, sind Ihnen all diese Dinge nicht bekannt oder dann verdrängen Sie sie.

    Nur schon dass Ihnen irgendwelche evangelikalen Knallchargen in den Sinn kommen als Vergleich für die Blödheit, die auch bei uns herrscht, wenn von dem Islam die Rede ist, zeigt, dass Sie ungeheure Verdrängungs- und Relativierungsleistungen vollbringen müssen. Sehen wir es doch mal ganz nüchtern: Unter Evangelikalen gibt es im schlimmsten Fall ein paar Dutzend total weggetretene Idioten, die auf Abtreibungsärzte ballern oder sonst wie aus dem Ruder laufen, während alle anderen Christen niemals auf solche Ideen kämen.
    In der islamischen Welt hingegen reicht eine Karikatur des Propheten oder dass Sie einen Teddybären Mohammed nennen und schon strömen tausende von Leuten auf die Strasse, krakeeln durch die Gegend, verbrennen die Fahnen von Ländern, von denen sie vorher noch nie etwas gehört haben und schlagen jeden Christen oder Juden tot, der ihnen gerade vor den Knüppel läuft.
    Was bei unserer Hausreligion oder in unserer Kultur die totale Ausnahme ist und als völlige Verirrung gilt, ist bei derjenigen der Bartträger das empfohlene Hausmittel für jedes Problem und jede Kränkung.
    Man könnte Bücher füllen mit solchen hanebüchenen Vergleichen, aber es läuft letzten Endes immer auf das Gleiche hinaus: Man kann diese zwei Kulturkreise nicht miteinander vergleichen, auf keiner Ebene. Es ist geradezu ein Hohn, es dennoch zu versuchen.

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  62. O: Sorry für den Buchstabendünnschiss, aber hey, der Cyberspace will auch gefüllt werden.

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  63. Hitz hat das Licht gesehen. Und es hat ihm die Augen geöffnet. Das ist zu begrüssen.

    Der Unterschied zwischen Christus und Mohammed? Ganz einfach, der eine Gottes Sohn und Opfer an die Menschheit, der andere ein Weissager, Autor und Kriegsherr.
    Der Unterschied zwischen der heiligen Schrift ud dem koran? Ganz einfach, das eine eine Geschichtensammlung von der Liebe Gottes zu seinem Volk, das andere eine Sammlung präziser, grausamer und menschenverachtenden Gesetzen.

    Ganz recht, Hitz: diese defätistischen Flagellanten mit ihrer dauernden "aber wir waren dann im Fall auch keine Heiligen...", dieser Relativismus ist Sand in den Augen.

    Wenn man nach Identität, Orientierung und Sinn fragt, ist solches wenig hilfreich.

    Zum Beispiel könnte man argumentieren, die hauptsächliche Schuld für das Puff auf dem Balkan tragen die Serben, weil sie - als Christen! als vormalige edle Sozialisten! als kultiviertes, zivilisiertes Volk! - es besser hätten wissen müssen als die anderen und dem Zerfall ihres schönen Landes gefälligst tolerant zusehen müssen, tant pis, das ist der Weltenlauf. Stattdessen haben sie sich in diese Amselfeld-Mythologie hineingesteigert und sind deshalb so fanatisch auf die anderen los.

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  64. Danke, dass Sie das mit den Serben auf diese Weise erwähnen. Es ist mir seit den Kriegen auf dem Balkan eine regelrechte "pain in the ass", dass die Serben diese einfältige Schurkenkarte zugewiesen bekamen und die anderen (Mafiosi, Stalinisten und Islamisten wie z.B. die UCK) als tapfere Partisanen durch die Medien geistern durften.
    Sowieso ist es erschreckend, wie destruktiv heute jeder und jede auf den Westen oder das Christentum sehen und spucken darf, obwohl ohne diese beiden er oder sie schon längst gevierteilt, gefoltert, vergewaltigt oder verschwunden worden wäre. Die Garanten und Voraussetzungen der Freiheiten, die wir heute geniessen dürfen, sind scheinbar zu den verachtetsten Symbolen derer geworden, die sich am meisten diesr Freiheiten herausnehmen.

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  65. @Hitz: Racism against own race. Ein wenig erforschtes Phänomen. Im sich sebst als progressiv bezeichnenden Milieu gibt es deutliche Ablehnung von allem, das auf weissen, reichen, mächtigen Mann (und Vater) weist. In der Kunst Literatur, Theater etc. ist diese Ablehnungshatung Programm, seit etwa Mitte des 19. Jh. fast Pflicht. Der Früh-Emo Werther, die bösen Väter in Kabale und Liebe - die Ent-Männlichung setzt ein.
    Im Dunstkreis der Geisteswissenschaften blühen seit je die ganze Kritische Theorie (in Wahrheit: dialektischer Materialismus, Marx modernisiert), ein darauf fussender Wissenschaftszweig, die Soziologie, radikallinke Blüten wie Cultural Studies, Gender Studies und natürlich einzelne Richtungen in der Religionsforschung, Ethnologie und Linguistik, die mit nichts anderem beschäftigt sind, ihre zersetzende Wirkung auf europäische Kultur, Tradition und das abendländische Erbe in seiner Vormachtstellung zu entfalten.

    Ja, ja, der Begriff ist völlig absichtlich gewählt. Es geht nur noch darum auf das Erbe zu pissen und scheissen. Hirschhorn-Style. Und die Barden, Spielersleut und Geschichtenerzähler führen dazu eifrig ihre vielstimmige nihilistische und dadaistische Kakophonie auf.

    Das erinnert mich: ich war shon lange nicht mehr in einem Marthaler-Stück.

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  66. bis ich mich durch alle gestrigen kommentare durchgearbeitet habe, wird der halbe vormittag vorbei sein. hitz, einer erster eindruck vorweg: sie lesen weiterhin selektiv.

    beispiele: das materielle wie politische argument führe ich deshalb mit bedacht und vehemenz, weil mir nicht eine historische expansionsbestrebung bekannt ist, die als genuin (oder ausschliesslich) religiöse erscheinung betitelt weren kann. hauptmotivator ist und bleibt die menschliche gier nach dem, was er nicht hat beziehungsweise nach einem mehr von dem, was er bereits hat. deshalb gaben sich die osmanen auch nicht mit der eroberung der vormals arabischen gebiete zufrieden, und deshalb zogen die römer bis hinauf ins unwirtliche schottland und in verworfene wüstengebiete. die herrschende ideologie übte jeweils eine legitimatorische klammerfunktion, but that's basically it.

    die arabische kulturleistung bestand darin, frühere einflüsse - griechische, persische und weitere - aufzunehmen, auszubauen und zu überliefern. für das lateinische mittelalter war diese vermittlung von unschätzbarem wert, auch wenn sie das nicht erkennen können.

    den kulturellen mehrwert der antiken grossreiche (kultur im umfassenden sinn menschlicher leistung auf jedwedem gebiet) habe ich deutlich genug herausgestellt. sie brauchten sie mir nicht noch einmal vorzudozieren.

    ich denke, sie wollen sich in diesem rahmen partout eine linke gegenfigur aufbauen - dich bin ich nicht. aber allzu pauschale vereinfachungen, reduktionen und simplifizierungen, aus denen sich ein wunderprächtig-eingängiges narrativ zusammenbasteln lässt, sind mir ein graus; dagegen werde ich weiter anschreiben.

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  67. Die Kreuzzüge, zoé, die Kreuzzüge! Wenigstens deren erster 1095-99!

    Der Hilferuf aus Byzanz war nur ein Vorwand, es ging um eine Pilgerfahrt nie dagewesenen Ausmasses nach Jerusalem, ein heiliger Furor ergriff die jungen Männer, "Deus lo vult", komme was wolle. Die Sarazenen und Seldschuken hat man nur dort bekämpft, wo sie im Weg standen. Es ging nicht um eine Eroberung.

    Nennen sies von mir aus irrationale Besessenheit, religiöser Eifer. Aber so etwas hat es davor und danach nie wieder gegeben (deshalb mein übergrosses Interesse daran): Es war weder ökonomisch sinnvoll, noch nötig, noch effizient, noch klug geplant, noch erfolgreich. Plünderungen gab es nur, weil man die Armeen ernähren musste.

    Das Massaker von 1099 ist unschön und ebenso irrational, was meine These eher noch stützt. Aber die heilige Stadt war nunmal immer hart umkämpftes Pflaster.

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  68. nein, eigentlich muss ich meinem obigen kommentar vorerst nichts mehr hinzufügen.

    ausser vielleicht: auch für den zerfall jugoslawiens müssen politisch-ökonomische gründe in die engere faktenkalkulation mit in betracht gezogen werden. slowenien und kroatien hatten schlicht keine lust mehr, die politisch einflussreicheren, aber ökonomisch wesentlich schlechtergestellten südlichen gebiete zu subventionieren. dazu kommt als nationalistisch-ideologische komponente die ganze unverdaute blutige geschichte des balkans, die über den ersten und zweiten weltkrieg bis ins mittelalter zurückreicht. man wird den konflikt nicht verstehen, wenn man ihn sich nicht in allen diesen details anschaut. und wenn man es tut, wird man nicht einer einzelnen nationalen gruppierung die schuld zuweisen können.

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  69. Zoé: Dass ich selektiv lese, mag sein, Sie tun es aber auch. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass eine der Besonderheiten des Islams gerade die rückständige Form des ökonomischen Moments ist.
    Dass ich mir partout eine linke Gegenfigur aufbauen möchte, ist eine Unterstellung, die darüber hinaus sinnlos ist. Ich funktioniere nicht nach mamablog-Schema, wo man politische Knuddelfreundschaften pflegt und Meinungen nach Namen bewertet. Solange ich finde, ich muss Ihnen widersprechen, tue ich das. Wenn Sie etwas schreiben, dem ich zustimmen kann, tu ich auch dies. Es ist mir darüberhinaus egal, ob Sie links oder rechts sind. Ich bezeichne mich selber immer noch als Linken, ich kann einfach diese simplifizierten und historisch unwahren Binsenweisheiten nicht mehr hören.
    Den Kulturerhalt, den man den Arabern immer unterstellt, fand so übrigens auch nicht statt. Die griechischen Kulturleistungen wurden von Byzanz konserviert und die Araber waren einfach so freundlich, nicht gleich alle Bücher zu verbrennen. Der philosophische Output, den sie dann anhand dieser Bücher brachten, war ebenfalls vernachlässigbar. All diese ach so grossen arabischen Leistungen wurden vor allem deswegen erfunden, weil es ja gemein wäre, einem Volk vorzuwerfen, dass es nun wirklich keine besonderen kulturellen Leistungen hervorgebracht hat (ausser der Wasserpfeife vielleicht), die uns zu irgendwas Nutze wären.

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  70. nur ganz schnell, orlando: wo blieb dieser heilige religiöse furor, als es darum ging, das tor zu europa vor dem vordringen des islams zu schützen? die hilfsgesuche des fürsten lazar vor der schlacht auf dem amselfeld blieben vom westen allesamt unbeantwortet. wenn sie mich fragen, ist dies eine der grossen tragödien der gesamteuropäischen geschichte, mit konsequenzen von einer tragweite, deren nachbeben wir bis heute - gerade wieder heute - spüren können.

    zum ersten kreuzzug: bildete dieser nicht zum ein ventil für innerwestliche konflikte, die solcherart ausgelagert wurden (frei nach dem motto "frieden im westen, krieg im osten")? und stellte nicht für viele der bettelarmen kreuzfahrer die aussicht auf religiöse wie materielle belohnung gleichermassen ein motiv dar?

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  71. O: Es gibt dafür ja den Begriff der "white Guilt", der meines Erachtens recht genau beschreibt, was im Bezug auf die Schmälerung aller unserer kulturellen Leistungen geschieht. Aber das ist ein "böser" Begriff, weil er von Rechten benutzt wird und wie wir heute ja alle wissen, ist rechts sehr, sehr böse. Das was früher "Kampf gegen Rechtsextremismus" genannt wurde, wird heute ja schon recht gerne und breit als "Kampf gegen rechts" bezeichnet. Und niemanden scheint es gross zu stören, obwohl es so undemokratisch und eklig ist, dass sich meine anarchistischen Fussnägel darob kräuseln.

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  72. Zoé: Zu Jugoslavien stimme ich Ihnen weitestgehend zu. Aber mit dieser differenzierten Sichtweise könnten Sie einen durchschnittlichen Tagi-Leser zutiefst schockieren und verunsichern, da ja jeder weiss, dass die Serben blutsaufende Monster waren.

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  73. mein lieber hitz, sie erzählen groben unsinn. in den wirren der völkerwanderung gingen ganze antike wissensbestände verloren. viele der philosophischen texte der griechischen antike erreichten das lateinische mittelalter zunächst ausschliesslich über den arabischen vermittlungsweg. erst im 15. jahrhundert wurden einige textkorpora im griechischen original wiederentdeckt - das gilt u.a. für plato, wie auch für den komplex der hermetischen schriften. beide waren für die entwicklung der renaissance von ausschlaggebender bedeutung, wie es zuvor die durch die araber vermittelte aristotelische naturphilosophie für die scholastik gewesen war.

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  74. habs noch mal nachgeschlagen; nicht, dass ich selbst noch unsinn erzähle:

    im 13. jahrhundert wurde der aristotelische urtext von konstantinopel her allmählich bekannt und direkt ins lateinische übersetzt. zuvor kannte man ihn nur aus der indirekten überlieferung durch arabische und jüdische quellen sowie bruchstückhaft aus der aristotelesrezeption der kirchenväterliteratur; der fall toledos im jahr 1085 ist insofern von wesentlicher bedeutung für die entwicklung des (früh-)scholastischen diskurses. stellen sie sich vor, selbiger wäre erst im 13. jahrhundert so richtig in die gänge gekommen - wir hätten es mit einer historischen verschiebung zu tun.

    christliche gelehrte wie adelard von bath, der im 12. jahrhundert als übersetzer arabischer schriften tätig war, haben übrigens selbst nie die damalige überlegenheit der arabischen wissenschaft, insbesondere in den bereichen medizin, mathematik und astronomie, in abrede gestellt.

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  75. Zoé: Ich bin Ihnen dankbar über den kurzen Abriss der Wirren der Völkerwanderung. Bislang dachte ich immer, dass dieses ganze Schlamassel vor allem deshalb entstand, weil irgendein römischer Kaiser sein Zimmer nicht ordentlich aufgeräumt hatte. Ich habe aber den Verdacht, dass es auch nicht so war, dass damals plötzlich ein edelmütiger Araber zwischen sich die Köpfe einschlagende West- und Ostgoten sprang, dabei noch einen Hunnen umschubste, und dabei rief: „Haltet ein! Ich muss Wissen retten, ihr Unholde!“

    Den Unsinn kann ich übrigens zurückgeben und das mit dem selektiven Lesen ebenfalls.
    Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die "arabische Wissenschaft" vor allem eine persische, griechische und indische war, da spielt es auch keine Rolle, wie adelard von bath das damals wahrnahm. Soviel zum selektiven Lesen.
    Dann zur Geschichtsdeutung: Dass ein Teil des griechischen Wissensschatzes den Umweg über das Arabische nahm, war im Prinzip reiner Zufall und hatte mehr damit zu tun, dass die arabische Einflusssphäre im Hochmittelalter näher an Westeuropa gerückt war als diejenige Byzanz'.
    Jedoch war es durchaus so, dass das ganze Wissen in Byzanz erhalten geblieben war. Auch in der arabischen Welt waren übrigens die Übersetzer vom Griechischen ins Arabische vor allem Christen, wobei sich die Nestorianer besonders hervortaten. Die Leistungen der islamsichen Araber hielten sich hier in engen Grenzen. Ebenso wären noch zoroastrische, also persische, und jüdische Übersetzer zu nennen.
    Die Texte, die über das arabische nach Europa gelangten, waren wiederum nichts als Übersetzungen von byzantinischen Originalen, angefertigt für arabische Hobbyphilosophen, die mit dem Wissen dann nicht sehr viel anfingen (oder gab es da irgendwann mal sowas wie die sogenannte Papstrevolution oder die Renaissance in der arabischen Welt?).
    Durch den Fall von Toledo wurde sicher viel Wissen nach Europa gespült, hätten aber die Araber nicht den Weg übers Mittelmeer in einen äusserst gefährlichen verwandelt, Spanien nicht besetzt und sich allerorten als Gefahr für Leib und Leben eingerichtet, wäre dieses Wissen vermutlich noch früher wieder nach Westeuropa transferiert worden.
    Aristoteles Politik z.B. wurde von Wilhelm von Moerbeke vom Griechischen ins Lateinische übersetzt, ein Werk das von den Arabern gar nie beachtet wurde.
    Ihre Argumentation davon, dass die Araber Wissenserhalt und –vermittlung betrieben haben, könnte man im Prinzip auch derart anwenden, dass man sagt, dass die Nazis das Gold von Juden für die Nachwelt erhalten und weitergegeben haben. Ich bin mir nämlich sicher, sowohl Griechen wie auch Perser oder Inder hätten ihr Wissen gerne selber gehütet und weitergegeben und dankbar auf die tatkräftige arabische Hilfe verzichtet.
    Die Araber waren alles andere als hilfreich im Bezug auf das antike Wissen, vielmehr stellten sie ein verzögerndes Element dar durch ihre Raubzüge und die teilweise Beschlagnahme von Wissen, mit dem sie selber gar nichts anfangen konnten.

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  76. He, so einfach kommen sie nicht davon!

    Sie können von mir aus gern religiösen Fanatismus und die erwartete Aufpolierung des Seelenheils des Kreuzzugsteilnehmers als eine At extrinsische Motivation nehmen, so wie es die Zeitgenossen interpretiert haben. Auch die zunehmende Hinwendung der mittelalterlichen Kirche zum weltlichen Militärkult als Instrument der Läuterung - ja.

    "...mir nicht eine historische expansionsbestrebung bekannt ist, die als genuin (oder ausschliesslich) religiöse erscheinung betitelt weren kann..."

    Das ist irgend ein Post-II-WK-Geschichtsforschungsdogma. Gerade die Geschichte der Kreuzzüge wurde in verschiedenen Zeiten historisch höchst unterschiedlich interpretiert. Sie übernehmen die Sichtweise von Sir Steven Runciman, die heute weitgehend überholt ist. Auch "innerwestliche Querelen" sind eine unzulässige Begründung. Die "Irrationalität" zeigt sich weiter im Zeitpunkt: Jerusalem war bereits seit 400 Jahren von den Muslimen besetzt, die Schleifung der Grabeskirche war fast 100 Jahre früher angeordnet worden. Auch gab es keine kiegerischen Auseinandersetzungen im Osten, die Ostrom in eine alarmierende Lage gebracht hätten. An der Synode von Clermont, die Alltagskram, Innerkirchliches regelte herrschte trotz Schisma und Investiturstreit eine harmonische Athmosphäre: es geb schlicht keinen zoé-würdigen Grund (weltlich oder kirchlich) für ein kriegerisches Ablenkungsmanöver!

    Das Motiv war nicht Gier sondern frommer Idealismus.

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  77. geber, rhazes, avicenna, averöes... sie alle sind selbstverständlich keinen eintrag im grossen buch der kulturgeschichte des menschlichen geistes wert. komisch, ich dachte immer, geschichte wird aus der warte der sieger geschrieben. nur für die araber soll dies nicht gelten, denn sie sind keine 'würdigen' sieger, sondern 'unverdiente' profiteure auf dem rücken der völker, die sie unterworfen haben... danke, hitz, auf ihre ideologisch eingefärbte lesart verzichte ich und halte mich an die einschätzung der zeitgenössischen quellen. gemäss ihrer argumentation müssten auch die ägypter den griechen und römern beständig grollen, wären sie doch auch lieber selbständig geblieben etc. etc.

    ausserdem: was nützte die jegliche (so auch die byzantinische) wissenskonservierung, wenn sie aus unterschiedlichen gründen nicht direkt anzapfbar ist? komische ansichten haben sie.

    o., nehmen sie die stichworte fehdewesen, gottesfrieden, hungersnöte, epidemien; allgemein eine wenig ertragreiche, von äusserlichen bedingungen abhängige landwirtschaft - und dann gleichsam als heilsversprechen ein gebiet, wo milch und honig fliessen und sich die göttliche verheissung erfüllen soll. sie weisen gemeinsam in eine richtung: gerade für jüngere adelssöhne (zusätzliches stichwort primogenitur) stellte der kreuzzug der ritter eine willkomme gelegenheit dar, dem sozialen und wirtschaftlichen dilemma zu entfliehen und es im osten womöglich zur seelenrettung, aber auch zu unabhängigem wohlstand zu bringen. nicht anders sieht es bei den motiven der teilnehmer des volkskreuzzug aus.

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  78. korrigiere: was nützt jegliche wissenskonservierung. korrekturlesen wäre manchmal eben doch von vorteil.

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  79. ergänze: wissen hat nur dann einen nutzen, wenn es zirkulieren kann. ohne die wissensvermittlung über den arabischen umweg hätten zahlreiche europäische entwicklungen nicht oder verspätet stattgefunden, und wir hätten es demnach nicht mehr mit demselben geschichtsverlauf zu tun.

    so gerne es manch einer glauben würde: die historie verläuft nicht entlang einer linear vorgegebenen, kontinuierlich voranschreitenden linie, sondern ist von kontingenzen und brüchen geprägt. und wer kann schon wissen, welche entwicklung die medizingeschichte ohne einen avicenna genommen hätte?

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  80. Ich beziehe mich aber nur auf den Ersten Kreuzzug, zu dem Papst Urban II 1095 aufrief und der mit der Einnahme Jerusalems 1099 und der Befreiung von fatimidischer Herrschaft endete. Mission accomplished. Eine bewaffnete Wallfahrt. Plünderungen gab es in diesem Kreuzzug praktisch nur in jenen Gebieten, wo sich die Bevölkerung nicht kooperativ verhielt und für Nahrung sorgte. Das war k e i n Eroberungsfeldzug.

    Milch und Honig? Waren sie je an der türkischen Mittelmeerküste oder in den heissen, trockenen Steinwüsten Syriens? Nicht eben wirtliches Gebiet...im Gegensatz zu der Provence, dem Lyonnais, der Auvergne und Nordfrankreich, wo all die Typen herkamen.

    Ich sprach nicht vom Volkskreuzzug. Oder den späteren Kreuzzügen. Da gings selbstverständlich um Geopolitik und Macht, ganz logisch.

    Dass sich einzelne Adlige danach die Stützpunkte entlang der Route unter den Nagel rissen und Outremer-Königreiche errichteten, hat aber wenig mit der Motivation im Jahre 1095 zu tun. Gaofroy de Bouillon wurde im Jahr 1099 auch nicht König über das gelobte Land, sondern "advocatus sancti sepulchri" (der Beschützer des hlg. Grabes).

    Wie oben gesagt: so ein Vorhaben hat es weder vorher noch nachher je gegeben. Und ist dem Umstand geschuldet, dass das Heilige Land, die heiligen Stätten, nicht auf dem eigenen Kontinent lagen (wie im Falle der Mohammedaner). Schon nur aus diesem Blickwinkel erscheint ihre Anwesenheit vor den Toren von Wien mehr als fragwürdig. Dieweil es den Christen ums Jahr 1100 nur darum ging den Zugang zum heiligsten der Heiligtümer zu gewährleisten.

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  81. Etwas thematisch passendes aus der brandexplosivheissen Politaktualität Helvetiens:

    http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Das-explosive-Papier-der-CVP/story/20348189

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  82. Zoé, es ist geradezu wie wenn man gegen eine Wand von Mainstream-Geschichtsinterpretation anschreiben würde, wenn man mit Ihnen diskutiert.
    Ich habe doch geschrieben, dass der Umweg über die Araber vor allem deshalb von Nöten war, weil diese Kerle überall im Weg rumstanden. Würden wir jetzt in der Kneipe hocken, würde ich Ihnen einen Plan zeichnen, der Ihnen verdeutlicht, was ich damit meine.
    Und das "Geschichte wird von den Siegern geschriben, nur für die Araber soll das nicht gelten" ist geschenkt. Genau dieser Umstand ist ja dafür verantwortlich, dass Sie auf diese "Europa im finsteren Mittelalter-Legende" abfahren. Weil die Araber die Geschichte umgeschrieben haben, wie es islamische Kulturen seit 1400 Jahren machen und Errungenschaften für sich reklamieren, die ihnen nicht zustehen. Deshalb können Sie sich auf diese drollige Art über meine komischen Ansichten empören. Nur, die ganze Sache wird dadurch nicht wahrer.
    Sie merken nicht mal, dass Sie genauso eine ideologisch verfärbte Art der Geschichtsschreibung vertreten und dass Sie selber irgendwelche simplen Narrative reproduzieren.
    Dass die Ägypter den Griechen und Römern oder von mir aus auch die Kelten den Römern oder weiss der Geier wer z.B. den Briten grollen sollten, ist nach meiner Ansicht überhaupt nicht so, weil es nämlich durch diese Imperien Fortschritt gab. Durch die arabischen Eroberungen gab es diesen nicht.
    Und dann diese arabischen Geistesgrössen, die Sie nennen. Wieso sind es bloss immer die selben, die kaum ein halbes Dutzend ausmachen, während man mit denen der Griechen, Römer, Perser, des Westens ganze Telefonbücher füllen könnte?
    Würden morgen irgendwelche zugekifften Autonome die Zentralbibliothek in Zürich besetzen, in alle Bücher Eselsohren machen und ab und zu irgendwas daraus in launigen Gedichten zitieren, würden nach ein paar Jahren sicher einige Zoés kommen und die Besetzer dafür feiern, dass sie einen grossartigen Beitrag zum Wissenserhalt geleistet haben.
    Ich bitte Sie, diese Form von "Geo für Kids Geschichtsschreibung" kann doch einfach nicht Ihr Ernst sein.

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  83. wie fragwürdig nimmt sich unter diesem blickwinkel eigentlich die europäische kolonialpolitik in der frühen neuzeit aus - schon einmal darüber nachgedacht? nein, o. und auch hitz, mir geht es keinesfalls um einen 'white guilt'-diskurs, nur sollte mit gleichlangen ellen gemessen werden. fremde eroberer sind aus sicht der eroberten zunächst einmal genau das: fremde eroberer - den indios wäre es vermutlich egal gewesen, ob sie von christen oder moslems hingemetzelt wurden. und die amerikanischen ureinwohner fristen als volk bis heute ein miserables dasein. aber als unverbesserliche wilde sind sie ja selbst schuld, wenn sie sich nicht vollumfänglich auf die zivilisatorischen errungenschaften des westens einlassen wollen und weiterhin an ihren veralteten glaubensvorstellungen und traditionen festhalten.

    doch, genau von dem ersten kreuzzug sprach ich, und den nachgeborenen adelssöhnen, die sich ihm in scharen anschlossen. ihm ging der besagte, unkoordinierte volkskreuzzug (auch: armenkreuzzug) voraus. jerusalem als stätte heilsgeschichtlicher verheissung, der orient als imaginierte quelle unermesslicher schätze - das alles muss ihnen doch in der lektüre begegnet sein, o..

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  84. exakt, hitz: ihrer meinung nach. nein, diese diskussion lohnt sich nicht, weil sie von feststehenden prämissen ausgehen (respektive nach der lektüre von ein, zwei geschichtsbüchern den eindruck haben, sie hätten sich jetzt summa summarum alles notwendige wissen zu diesem themenkomplex angelesen). ich könnte ihnen jetzt darlegen, welche fortschritte allein im bereich (al-)chemischer kenntnisse und prozeduren unter der ägide arabischer autoren gemacht wurden, und welche auswirkungen dies auf mittelalterliche wissenschaft und handwerkskunst hatte, aber es ist mir schlicht zu blöd. bleiben sie in ihrer heilen welt des abendländisch-christlichen herrenmenschen verhaftet, in der sie sie es sich so unheimlich bequem eingerichtet haben.

    das wirklich komische am ganzen ist, dass ich im gegensatz zu ihnen tatsächlich grund hätte, alles auch nur annähernd islamische in bausch und bogen zu verdammen, kamen doch meine vorfahren im gegensatz zu den ihren 500 jahre in den genuss des osmanischen jochs. aber meine weltsicht besteht aus abgestuften grautönen, nicht aus einer fatalistischen schwarz-weiss-kolorierung.

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  85. Na, na! Weder soll hier die Interpretation der einen als kindisch abgetan noch den anderen unterstellt werden, sie hätten nur ein, zwei Bücher gelesen (und die, in meinem Fall, ohne aufzupassen).

    Hitz, mir ist schleierhaft, was der Versuch soll, die araber allesamt in den Drecktopf zu werfen. Um eine Linie zu ziehen vom Mittealter bis in die Neuzeit? Wenn ich mir die jungen Männer vergegenwärtige die auf den Strassen Nordafrikas und im Nahost für etwas weniger Despotismus und etwas mehr Freiheit demonstrierern - dann denke ich auch: ihr kommt aber spät! Aber ich bin zu sehr von den Errungenschaften der abendländischen Neuzeit überzeugt (freie, offene Gesellschaften, freies Wirtschaften, demokratischer Diskurs, bürgerliche Gesellschaftsstrukturen und individueller Entfaltungsfreiheit) als dass ich nicht auch in sie die Hoffnung setzen würde, dass sie es schaffen, nachdem ihre radikalislamischen Cousins einen ganz anderen Weg für die islamische Welt im Sinn haben...

    Zoé, wie gesagt: die Interpretation wandelt sich, die Nachkriegsbrille ist nicht mehr ausschlaggebend. Zudem gibt es etwa im angelsächsischen Raum ganz andere Ansätze. Ihre Ansichten erinnern mich tatsächlich ein wenig daran, wie man zu meiner Kantizeit (90er Jahre) korrekt zu denken hatte über Geschichte. Das (möglicherweise für die Geschichte der Neuzeit eine gewisse Gültigkeit habende) Diktat des Ökonomisch-Macht-Politischen, von dem die deutschsprachige Geisteswelt seit Marx/Engels, Weber, dann Horkheimer/Adorno/Habermas hingerissen ist und das sehr grob vereinfachende Oben-Unten-Schema (stramm linker Ausbeutungs-/Unterdrückungsdiskurs): es ist schon etwas ermüdend.

    Und vor allem kann man damit Vorgänge wie den ersten Kreuzzug nur sehr unvollständig erfassen. Deshalb können sie ja auch meine Euphorie nicht verstehen ;-)

    Und die Indianer können wirklich nichts dafür, dass sie soviel saufen und gamblen statt Büffel jagen und Regentänze aufführen.

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  86. In der Aufzählung fehlt unbedingt: freie Wissenschaft.

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  87. Hach, wer wird denn gleich beleidigt sein, Zoé.
    Ich kann die Anwürfe, die Sie mir machen eigentlich alle zurückgeben, ausser dass ich mir die Frechheit ersparen würde, Ihnen zu unterstellen, dass Sie nur gerade mal zwei Bücher zu diesem Themenkomplex gelesen haben.
    Das mit der Kolonialzeit ist ein netter Themeneinschub und diese ist äusserst fragwürdig, aber sie hat nix mit den Arabern zu tun bzw. es kommt immer irgendeine Frage in diese Richtung, wenn man darüber diskutiert, dass die Araber der Welt nicht gerade viel gebracht haben. Man und frau kann endlos über westliche Untaten diskutieren, ohne auch nur einmal diejenigen anderer Völker zu streifen, aber es geht nicht, über Andere zu sprechen, ohne mindestens einmal noch ein leise gehauchtes "mea culpa" hinzuseufzen.
    Dass die Diskussion sinnlos ist, darin stimme ich Ihnen zu, ich habe das aber schon weiter oben geäussert.
    Ich habe ausserdem noch viele Sachen geäussert, zu denen Sie sich ausschweigen oder die Sie dann unter den Tisch fallen lassen bzw. einfach ignorieren. Dass Sie übrigens Ahnen haben, die 500 Jahre lang unter dem Islam gelitten haben, tut mir zwar für die Ahnen leid, aber es hat irgendwie auch nichts mit der Diskussion zu tun.
    Das mit dem Herrenmenschen ist ein wenig armselig. Wollten Sie mir nicht vielleicht noch eine faschistische Gesinnung unterstellen oder etwas ähnliches? Ich finde, das wäre ein noch tolleres Diskussions-Ende, mit dem Sie klarmachen könnten, wer von uns beiden auf der moralisch reinen Seite steht.

    O: Mir gehen einfach diese Araber-Klischees auf den Senkel, die in dieser Form schlichtweg nicht wahr sind und die dazu dienen, ein Geschichtsbild festzuschreiben, in dem wir hiflosen Europäer Jahrhunderte damit zubrachten, auf dem Kopf zu laufen, bis uns endlich die ach so toleranten, gütigen und klugen Araber das Licht des Wissens zurückbrachten.
    Wenn heute gefragt wird, wie diese hochstehende arabische Kultur so enden konnte, wie sie heute geendet ist, dann wird immer vergessen, dass sie schon so angefangen hat. Das Problem der arabischen Stämme war und ist nicht, dass sie dümmer wären als andere Menschen, sondern dass die Traditionen und die Kultur nomadischer Kriegervölker im Koran fixiert, konserviert und unverrückbar gemacht wurden.
    Die Blütezeit der arabischen Welt war diejenige, in der fremdes Wissen, das durch Eroberungen angeeignet wurde, aktuell und innovativ war. Dummerweise haben dann aber die arabischen Eroberer durch die Anleitung ihres heiligen Buches die eroberten Kulturen islamisiert und nicht z.B. die Perser (sind das auch Herrenmenschen @ Zoé?) die Araber persisiert. Soll heissen: Das Unverrückbare verschluckte das fremde Wissen und damit war es dann auch schon vorbei.

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  88. @Zoé: Ich habe gerade nochmal nachgelesen und gestehe freimütig, dass die Kinder-Geo-Bemerkung von mir Kacke war. Den Hieb mit den gerade mal zwei Büchern, die ich gelesen habe, hatten Sie also zugute.
    Den Herrenmenschen finde ich allerdings trotzdem saublöd.

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  89. Kürzlich habe ich (irgendwo, ich bin ein schlechter Link- und Quellenaufheber) gelesen, dass die Verschleppung von Nordostafrikanern zwecks Sklaverei im Arabischen Raum nicht nur zahlenmässig grössere sondern auch grausamere Dimensionen angenommen habe, im Gegensatz zu den Schicksalen der Westafrikaner, die sich in Amerika wiederfanden.

    Und ja mila, es ist der einzige Artikel, den ich zu diesem Thema gelesen habe.

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  90. hitz, es stimmt einfach nicht, was sie sagen. die araber haben nicht nur verschluckt und konserviert. die spitze mit dem herrenmenschen war zugegebenermassen fies, aber das sie schmerzt, besagt nur, dass sie sie irgendwo doch auch inhaltlich trifft. und entschuldigen sie, aber ich habe wirklich nicht die zeit, auf die absurdesten ihrer argumente einzugehen. böse araber, sie haben es gewagt, den lauf der geschichte durcheinanderzuwirbeln, anstatt sich von beginn weg unserem überlegenen meinungsparadigma zu unterwerfen - sagen sie, woher kommt dieser anspruch, dass die christlich-abendländische tradition als leitkultur für den gesamten erdenkreis zu gelten hat? was hat er mit der lebensweltlichen realität zu tun, damals wie heute?

    so kommt ihre argumentation bei mir an, ob sie das nun beabsichtigen oder nicht. ich für meinen teil pflege geschichtliche zusammenhänge frei von moralischer verstellung zu betrachten. um sie zunächst einmal zu verstehen.

    o., eben kein simples oben-unten-schema, sondern ein vielschichtiges panorama. das möglichst alle faktoren belichtet. ich habe nie gesagt, ein zentrales religiöses motiv sei nicht vorhanden gewesen, nur ist es eben nur die eine seite der medaille.

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  91. Ja, Zoé, so kommen wir bestimmt weiter. Ich sage Ihnen jetzt einfach mal, dass es nicht stimmt, was Sie sagen. Klasse. Sie wollen die Diskussion jetzt doch weiterführen?
    Und die Spitze mit dem Herrenmenschen trifft nicht inhaltlich, sie enttäuscht mich lediglich, weil Sie mir während dieser Diskussion mal gesagt haben, dass Sie nicht eine dieser Klischeelinken mit klischeelinken Platitüden wären. Und jetzt noch dieser Nachschub: Wenn Ihnen nicht passt, was ich sage, dann sagt das (Achtung: Tiefenpsychologie!), dass ich irgendwie Recht habe. Das ist unwürdiger Schwachsinn.
    Und Ihre Interpretationen von dem, was ich geschrieben habe, scheinen mir recht...ähm...sonderbar. Ich mache den Arabern nicht den Vorwurf, dass sie den Weltenlauf durcheinandergewirbelt haben, ich mache Leuten wie Ihnen zum Vorwurf, dass Sie dieses Wirbeln völlig falsch, blauäugig und ungebührlich positiv bewerten. Und "unser überlegenes Meinungsparadigma" wie Sie es nennen, ist ganz einfach Fakt, was Wissenschaften oder gesellschaftlicher Fortschritt anbelangt, zumindest im Bezug auf die islamische Welt (es gibt auch noch andere Kulturkreise, wie Sie vielleicht wissen). Müssen wir uns dafür jetzt schämen oder deswegen irgendwelche Nicht-taten von Anderen schönreden?
    Und dass Sie geschichtliche Zusammenhänge frei von moralischen Vorstellungen betrachten, stimmt eben gerade nicht, sonst kämen Sie nicht dazu, am Ende jemandem, der Ihren Bewertungen widerspricht, den Herrenmenschen aufzudrücken, der sozusagen die verbale Atombombe der moralischen Geschichtsbewerter ist.

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  92. ach hitz, lassen wir es. wir können auf einem anderen gebiet gerne die klingen wetzen, aber hier reden wir definitiv aneinander vorbei - ertraglos, für mich.

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  93. Zoé: Tut mir wahnsinnig leid, wenn diese Diskussion für Sie ertragslos war. Ich für meinen Teil bekomme für jedes "Nazi", "Herrenmensch" oder "Fascho", das in Internetdiskussionen an mich gerichtet wird von der Migros 500 Cumuluspunkte.

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  94. Gibts für 500 Cumuluspunkte auch Kappeler Milchsuppe aus dem Beutel, Action 3 zum Preis für 2?

    Offenbar haben wirs hier mit zwei Menschen zu tun, die über diese Dinge nicht erst in diesem Thread nachzudenken begonnen haben.

    Well, then, Historisch kompakt geht es weiter. Stay tuned. Und zur Entspannung gibt es ja noch die blutte FDP-Frau.

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  95. hitz, der kleine, aber feine unterschied zwischen nietzsches ideellem herrenmenschen und dem realen nazi ist ihnen bekannt, oder? ich will nur sicher gehen...

    und sehen sie, mit diskussionen halte ich es ganz pragmatisch: wenn sie sich keinen zentimeter weit von der ursprungslinie bewegen und ich immer wieder nur dieselbe argumentationsschiene höre, dann verliert sich für mich bald einmal der reiz daran. männer scheinen da anders gewickelt: sie können tage- und nächtelange tausendfach gehörtes wiederkäuen, ohne sich auch nur ansatzweise zu langweilen.

    dieses blosse argumentieren um des argumentierens willen ist einfach nicht mein ding.

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  96. Ich glaube einfach, dass es in der Geschichte nicht anders läuft als in unserem Leben: so wie es keinen hoho oeconomicus, der sich rational-automatisch zu seinem eigenen Vorteil verhält, so können nicht alle historischen Entwicklungen und Tatbestände alein durch die Brille des rational-automatischen Profit/Macht/Gier-Komplexes gesehen werden

    Wir verlieben uns, verbringen viel Zeit und Energie in Tätigkeiten, die uns keinen Deut weiterbringen, wir sind böse, hassen, verletzen ohne Grund andere, haben schlechte Laune, fühlen uns missverstanden, sind neidisch, wir verführen, lassen uns verführen, geben uns hin und empfinden Leidenschaft.

    Es stimmt einfach nicht, zoé. Es ist e i n Weg, Gschichte zu verstehen, aber nicht der alleinseligmachende. Vielleicht entgeht ihnen sogar sehr viel, wenn sie sich darauf versteifen. Der Reiz des Geschichthaften, Geschichten, das was doch die Beschäftigung mit dem Thema so spannend, farbig, lebendig macht.

    Man kann mittels Bogen auf einem Pferdehaar einen Klang erzeugen in verschiedenen Tonhöhen - oder aber man kann Mozart spielen!

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  97. o., soeben bin ich auf diesen herrlichen artikel zum fluch (und segen) der menschlichen (neu-)gier gestossen:

    http://www.zeit.de/2011/29/01-Medien-Abhoerskandal

    in der tat, ein gedanke, den man im zusammenhang des obigen streitgesprächs aufgreifen müsste, ist die enge zeitliche verzahung des phänomens, das wir die wissenschaftliche revolution nennen, und des zeitalters der entdecker. in beiden historischen erscheinungen können wir denselben missionarischen eifer, dasselbe gefühl einer sich neu eröffnenden welt der möglichkeiten, dieselben ideellen wurzeln und dieselben konsequenzen erkennen.

    denn: jegliche wissenschaft beginnt als eine neugierige erforschung des unbekannten und wird in der folge zu einer eroberungsbewegung, die jenes unbekannte den menschlichen bedürfnissen unterordnet. das grundgefühl der mission, dass die europäer in die 'neue welt' hinaustrieb, auf dass diese zivilisiert und kolonialisiert werden möge, durchzieht auch die wissenschaft: zivilisieren heisst zähmen, heisst ordnung stiften. sowohl die wissenschaftliche als auch die territoriale frühneuzeitliche expansion sind demnach von derselben hoffnung getragen: sich die Welt zueigen zu machen, ganz im einklang mit der biblischen auftrag: 'macht euch die erde untertan' (Gen. 1, 28).

    das motiv des 'dominium terrae' als ausgangspunkt der europäischen moderne: eine (vermeintliche) paradoxie. über den begriff der säkularisierung sollte man definitiv sprechen.

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  98. nun, sie sehen, ich habe dem profit/macht/gier-komplex, den sie mir unterstellen, die leidenschaftliche neu-gier an die seite gestellt. doch sagen sie mir, was heisst sich verlieben anderes, als zunächst einmal von jemand anderem besitz ergreifen zu wollen, mit händen und füssen, haut und haar?

    natürlich ist es absurd, von einer über dem historischen verlauf schwebenden, allumfassenden ratio in der geschichte ausgehen zu wollen - das wäre ein rückschritt hin zur hegelschen dialektik und ihrem 'weltgeist', unter umgekehrten vorzeichen (ups, das mit der materialistischen wende waren tatsächlich marx und engels). das entscheidende stichwort der kontingenzen und brüche habe ich ihnen schon geliefert. was nicht heissen soll, dass man nicht bisweilen auch längere kontinuitätslinien und konjunkturzylen neben der sich über diesen kräuselnden ereignisgeschichte ziehen kann, ganz im sinne der braudelschen longue durée.

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  99. PS: muss ich noch ergänzen, dass ich gier als solche für kein sehr rationelles gefühl halte? ich denke nicht.

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  100. Zoé: Der Unterschied ist mir bekannt. Ich unterstelle Ihnen anhand der Bildung und des Bewusstseins, das Sie an den Tag legen, aber auch, dass Ihnen bewusst ist, dass die Nennung des Herrenmenschen in unserer Zeit vor allem auf die Nazischiene zielt, vor allem auch weil Nietzsche vom Übermenschen sprach.
    Ich für meinen Teil störe mich nicht daran, wenn eine Diskussion sich nicht bewegt. Aber ich störe mich daran, wenn jemand, auch wenn die Diskussion schon zu Ende ist, noch x Mal betonen muss, wie wenig sie dieser Person gebracht hat und als wie enstirnig sie das Gegenüber wahrnahm, auch wenn sie selber genau gleich funktionierte, einfach nur mit anderer Argumenationsschiene. Das gibt so diesen langweiligen ich-will-unbedingt-gewinnen-Groove, der mir wiederum sehr wenig bringt. Ich anerkenne Ihre andere Meinung und lasse Sie Ihnen auch gerne, denn mir nimmt sie nichts weg. Mir ist auch bewusst, dass Sie mich als auf meiner Position beharrend wahrnehmen konnten, aber mir scheint, Ihnen selbst scheint das selbe für Ihre Person nicht bewusst zu sein. Ich nehme an, dahinter steckt die unbedingte Überzeugung, absolut richtig zu liegen und absolut Recht zu haben.

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  101. mein lieber hitz, ich pflege zwischen quellen und ihrer instrumentalisierung zu unterscheiden - das gilt ganz besonders für nietzsche, der zwar ein ausgewiesener antisemit war, dem es aber als durch und durch elitärem geist vor der volkstümelei der nazis entschieden gegraut hätte. keine sorge, wollte ich sie als fascho beschimpfen, ich würde es direkt tun.

    in einem punkt haben sie sicher recht: auf überzeugungsrhetorik reagiere ich mit einer dezidierten abwehrhaltung. insofern: nein, es gibt keine hoffnung für mich.

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  102. Zoé, dann bitte ich Sie daru, die richtigen Ausdrücke zu benützen. Es ist eben ein Unterschied, ob Sie Herren- oder Übermensch benützen und man weiss dann, welchen Bezug Sie zum beleidigen wählen.
    Ich weiss selber gut genug, dass Nietzsche vor dem Nazisprachgebrauch gegraut hätte. Von wegen Antisemit: Haben Sie seinen Brief an Wagner mal gelesen? Ein hochinteressantes kleines Traktat, sehr scharf in der Sprache und eine wahre Freude in der Zerlegung des Gegenübers, die aber auch Fragezeichen in Nietzsches angeblichem Antisemitismus erscheinen lässt.
    Und was Überzeugungsrhetorik anbelangt: Sie verwenden diese auch, auch wenn Sie sich dessen anscheinend noch immer nicht bewusst sind. Liebe Zoé, alles, was Sie mir vorwerfen, betreiben Sie ebenfalls und insofern gibt es tatsächlich keine Hoffnung für Sie. Sie wissen nicht, dass Sie auch das Gegenüber sind.

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  103. hitz, nietzsche hat beide ausdrücke benutzt: " Herrenmensch wurde durch Nietzsches ›Zarathustra‹ (1883) vor allem, worin dieser leidenschaftliche Verkünder einer neuen aristokratischen Herrenmoral den höheren Typus Mensch als den organisierenden und eigentlich schöpferischen so wirkungsvoll verteidigt hatte, ein Modeschlagwort großer Bildungskreise.

    Vergl. auch 7, 239 (1886), wo er die beiden Grundtypen scharf einander gegenüberstellt: "Es gibt Herren-Moral und Sklaven-Moral." Mit gleicher Schlagkraft spricht er 7, 353 von einem: Herren-Rechte und 309 von der ›Eroberer- und Herren-Rasse‹ der Arier oder ausführlicher noch 382 (1887): "Ich gebrauchte das Wort "Staat": es versteht sich von selbst, wer damit gemeint ist — irgend ein Rudel blonder Raubttiere, eine Eroberer- und Herren-Rasse, welche, kriegerisch organisiert und mit der Kraft, zu organisieren, unbedenklich ihre furchtbaren Tatzen aus eine der Zahl nach vielleicht ungeheuer überlegene, aber noch gestaltlose, noch schweifende Bevölkerung legt."

    Das Schlagwort vom Herrenmenschen oder auch vom Edelmenschen ist aber entschieden das beliebteste geblieben und Selbst als Romantitel benutzt worden."

    (http://www.textlog.de/schlagworte-herrenmensch.html)

    auf den übermenschen zu verweisen, wäre doch des guten zuviel gewesen, handelte es sich doch um eine nicht eingelöste utopie nietzsche.

    natürlich hat sich nietzsche gegen den plumpen antisemitismus wagners und anderer zeitgnossen ausgesprochen, nur macht ihn das nicht sogleich zum judenfreund:

    "Während Nietzsche, so Mittmann, in der „Judenfrage“ eindeutig Stellung bezieht, präsentiert sich seine Stellung zum Judentum ambivalent und widersprüchlich. Nicht Sympathie für die Juden oder das Judentum waren maßgeblich für Nietzsches Ächtung des Antisemitismus, sondern vor allem negative persönliche Erfahrungen mit den Protagonisten dieser Bewegung. Nietzsches Gesamtwerk, so Mittmanns These, eignet sich durchaus für antisemitische Zugriffe. Die weitverbreitete These, die antisemitische Vereinnahmung Nietzsches seit dem Ersten Weltkrieg resultiere lediglich aus der durch umfassende Manipulationen im Umfeld des Weimarer Nietzsche-Archivs geförderten Instrumentalisierung des Philosophen, verliert, so Mittmann, dadurch an Gewicht.

    Das Gros der Interpreten stellt Nietzsche als fehlgelesenen Sympathisanten des Judentums dar und folgt damit bereitwillig der Selbstverortung Nietzsches als „Anti-Antisemit“. Dabei lassen sich antisemitische gefärbte Äußerungen Nietzsches bis in seine Jugendzeit zurückverfolgen."

    http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=4432&n=2&y=1&c=50

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  104. ja ja, korrekturlesen täte jeweils not. hab er eigentlich grad keine zeit.

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  105. Hochinteressant Ihre Informationen zu Nietzsche. Das Meiste davon habe ich noch nicht gewusst, besten Dank dafür.
    Ich bin allerdings der Ansicht, dass man auch nicht judenfreund sein muss, um nicht Antisemit zu sein. Wie auch immer ein "Judenfreund" aussehen oder sich verhalten mag.

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  106. hitz, interessant ist es schon, dass sie wie auf knopfdruck auf die von mir hie und da eingestreuten polemischen bis politisch-unkorrekten begriffe anspringen. ich werde sie jetzt nicht fragen, was sie vom ausdruck gutmensch halten respektive ob sie ihn im eigenen repertoire führen. dass sie keine probleme damit haben, islam und islamismus undifferenziert in einen topf werfen und politisch-unkorrekt als mörderisch, unzivilisiert und rückständig über einen kamm zu scheren, haben sie ja deutlich zu verstehen gegeben.

    um es klar festzuhalten: nietzsche hat sich in jüngeren jahren wiederholt negativ über die juden geäussert. im spätwerk, als er sich in der abwendung von den antisemiten rund um den wagner-kreis zum anti-antisemiten aufgeschwungen hat (nicht: zum philosemiten), äusserte er sich zunehmend positiv zur jüdischen kulturleistung (im gegensatz zur orientalischen, deren degeneriertes wesen er für die ausbildung der christlichen sklavenmoral verantwortlich machte). diese kehrtwende erlaubt es ihm, die (christlichen) antisemiten nun ihrerseits als ressentimentsgesteuerte kleingeister zu entlarven. man beachte die zweckgesteuerte zielführung seiner argumentation.

    kurzum: man sollte nietzsche stets mit bedacht begegnen und nach möglichkeit gegen den strich seiner diversen strategischen selbstverortung(en) lesen. es lassen sich hinsichtlich seiner person denn auch zwei gegenläufige feststellungen treffen: auf der einen seite haben seine schriften mit karl löwith gesprochen "ein geistiges Klima geschaffen, in dem bestimmte Dinge möglich wurden" (man denke u.a. an das schreckensbild der "blonde bestie"). auf der anderen seite ist nicht zu übersehen, dass er zahlreiche entwicklungen des 20. jahrhunderts wie ein feingetunter seismograph vorausgeahnt und anskizziert hat (man denke an sein gespaltenes verhältnis zu den säbelrasselnden deutschen).

    fazit: wenn nietzsche etwas nicht war, dann ein systematischer denker. man kann ihn deshalb auch nicht systematisch unter einzelne positionen fassen.

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  107. Ich glaube schon, dass es gerade bei dem Volk der Israeliten nur noch möglich ist, ihr Freund oder ihr Feind zu sein. Das gilt insbesondere für Israel, den Staat: "die Juden" sind jetzt da, weil sie praktisch überall ausser den USA unwillkommen waren, sie sind jetzt da als direkte Folge der europäischen Geschichte.

    Über die Achse Wagner-Nietzsche gäbe es noch viel zu sagen. Wagner war gegen jeden, der nicht für ihn war. Und wie viele Antisemiten hatte er einfach Futterneid gegen Offenbach, Meyerbeer etc.
    Was ihn nicht hinderte auf treu ergebene jüdische Musiker und Bewunderer zurückzugreifen, wenn es darum ging seine Werke aufzuführen.
    Ausserdem kann man die Judenfeindlichkeit von 1850 nicht durch die Brille des Post-"Endlösungs"-Zeitalters ansehen. Die bürgerlich-monarchistischen Gesellschaften Europas jenes Jahrhunderts können nun wirklich nichts für Ghettos, Judensterne, J-Stempel, Kristallnächte und Deportationen. Im Gegenteil: in fast jedem europäischen Land gingen die Entwicklungen dieses Jahrhunderts mit einem Ausbau der Bürgerrechte und der Assimilation der Juden einher, sogar in Russland, wo es hie und da noch einen Pogrom gab. Anders ist es wohl kaum zu erklären, wie sich im ganzen deutschen Geistesleben (Kunst, Kultur, Wissenschaft etc.) so viele Juden durch besonders grosse Leistungen hervortaten.

    Man muss die Juden nicht lieben. Aber wer nicht ihr Freund sondern ihr Feind ist, begibt sich in unappetitliche Gesellschaft. Und muss - zu Recht - die Konsequenzen tragen. Denn, lasst uns nicht vergessen, wessen auserwähltes Volk sie sind!

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  108. Zoé: Dass Sie das interessant finden und bestimmt eine ganze Menge hineininterpretieren, sei Ihnen unbenommen. Wenn Sie Fragen haben, können Sie aber auch einfach fragen.
    Von wegen Islam und Islamismus: Das ist eine Unterscheidung, die ich tatsächlich nicht tätige und zwar genau aus dem Grund, dass ich den Koran gelesen habe. Der Koran ist ein Aufruf zum Islamismus. Punkt.

    O: Diese Trennschärfe würde ich nicht vornehmen. Ich bin im Konfliktfalle eindeutig für Israel, aber das hat für mich wenig mit Juden oder Nichtjuden zu tun. Ebenso empfinde ich Antisemiten als zurückgebliebene Verschwörungsphantasten, aber mit der jüdischen Religion bzw. was ich davon so ungefähr weiss, kann ich deshalb trotzdem nur wenig anfangen. Da ich allerdings noch nie von einem Juden gehört hätte, der dazu aufrief, alle Ungläubigen zu töten oder zu unterwerfen und jüdische Selbstmordbomber auch recht selten sind, stört es mich nur wenig, wenn sie eine Religion ausüben, die ich unverständlich finde.

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  109. Zoé, das habe ich ganz vergessen: Mit dem Begriff Gutmensch kann ich wenig anfangen. Einerseits möchte kaum jemand ein Schlechtmensch sein und andererseits ist das nur einer dieser langweiligen Sammelbegriffe, mit denen man Gegner niederknüppeln will. Im Prinzip ist es der "Fascho" der Rechten und dient dazu, in einem Wort alles zu sagen, was das Gegenüber delegitimieren soll.

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  110. o., auch hier muss man differenzieren: natürlich wäre es grobfahrlässig, den antisemitismus des ausgehenden 19. jahrhunderts qualitativ mit demjenigen der 20er bis 40er jahre des 20. jahrhunderts gleichzusetzen. nicht weniger grobfahrlässig wäre es jedoch, bestehende verbindungslinien auszublenden. man sollte sich auch fragen, was nietzsche in diesem zusammenhang als denker so brandgefährlich macht. es ist die tatsache, dass er - selektiv gelesen - in den falschen händen zur geistigen waffe mutieren kann. deshalb ist es wichtig, stets einen blick auf den gesamtkontext seines werks zu bewahren.

    hitz, zu ihnen komme ich später.

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  111. Das liest sich jetzt aber bedrohlich. Muss ich mir Sorgen um meine Gesundheit machen?

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  112. i wo, hitz. ich bin als kurmittel vollkommen unbedenklich. nur habe ich momentan so gar keine zeit zu schreiben.

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  113. keine zeit zum schreiben. auch nicht zum korrigieren.

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  114. Na, dann bin ich erleichtert und erwarte gespannt Ihre homöopathischen Worte zum Thema.
    Ihr Wissen über Nietzsche erscheint übrigens einem Laien wie mir durchaus beeindruckend (ganz im Gegensatz zu demjenigen über den Islam, verzeihen Sie den Seitenhieb...). War das für Sie irgendwie Studieninhalt oder ist Nietzsche ein Steckenpferd von Ihnen?

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  115. zoé, wenn die falschen Hände darin herumblättern und böse Augen selektiv lesen, kann auch die Bibel zur "geistigen Waffe" mutieren. Und auch in Wagners teutonischem Privatuniversum im "Ring des Nibelungen" kann sich eine verirrte Seele mit ganz unappetitlichen Blutfantasien anstecken (was bei genauem Hinsehen aber auch in der griechischen Mythlogie oder Grimms Märchenwald möglich ist).

    It's the eye of the beholder. Was mich ärgert, sind jene bequemen Zwangsläufigkeiten, die gern konstruiert werden um die blutrünstigen 12 Hitler-Jahre zu erklären, jene "Linien", die ja offensichtlich in dem münden mussten.
    So kann man praktischerweise ganze Bereiche einer lebendigen Geisteskultur kontaminieren und für die Nachwelt im Giftschrank entsorgen.

    Und was mich noch mehr ärgert: der linke Terror wird dagegen verharmlost. Von wem haben die Nazis denn ihr Handwerk gelernt? Wer wollte wen in seiner Verachtung für die Demokratie übertrumpfen? Wer wollte wohl das "alte System" gründlicher und nachhaltiger entfernen? Wem träumte wohl von einer radikaler blitzblanken neuen Gesellschaftsordnung?

    Und doch käme es niemandem in den Sinn, Marx und Engels für die Gräueltaten der Leinisten und Stalinisten verantwortlich zu machen.

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  116. ach, wie schön, dass sie es selbst sagen, o.: auch die bibel kann zur geistigen waffe mutieren. selbiges gilt für den koran, denn selbst wenn hitz es nicht einsehen möchte, gibt es durchaus moslems, denen nicht daran gelegen ist, den gesamten erdenkreis zu unterwerfen. ich würde sogar behaupten: die mehrheit denkt so. was diese leute wollen, ist im grunde das gute leben, wie sie es von westlichen filmen kennen. darum gehen sie zur zeit in scharen auf die strasse, gerade die jungen unter ihnen. nichts liegt ihnen ferner, als die eigene rückständigkeit nach aussen zu transportieren.

    abgesehen davon: die wenigen verrückten, die von einer islamischen weltherrschaft träumen, werden sich nie auf gemeinsame pläne einigen können; zu disparat sind die einzelnen strömungen. anstatt dass wir uns also ein letztlich absurdes, universelles feindbild zusammenzimmern, sollten wir pragmatisch gegen die einzelnen äusserungsformen islamischer gegensätzlichkeit zu unserer kultur vorgehen, die das zusammenleben in der schweiz beeinträchtigen: indem wir die zuwanderung an bedingungen knüpfen, badedispensen für moslemische mädchen nicht genehmigen, von mir aus auch, indem wir die burka im öffentlichen raum verbieten. in sachen minarett haben wir ja vom strassburger gericht bereits rückendeckung bekommen. konkrete massnahmen anstelle von hysterischer panikmacherei. das wäre gutschweizerisches handeln.

    abstrakte (geistige) gewalt hingegen erzeugt nur gegengewalt. das hat jung auf den punkt gebracht, als er sagte: "Jedes psychologische Extrem enthält im Geheimen seinen Gegensatz oder steht sonstwie mit diesem in nächster und wesentlicher Beziehung." paul watzlawick folgert davon ausgehend in seiner kurzweiligen abhandlung 'Vom Guten des Schlechten oder Hekates Lösungen': "Wer das summum bonum will, setzt damit auch schon das summum malum. Das kompromisslose Streben nach dem höchsten Gut - sei es Sicherheit, Vaterland, Friede, Freiheit, Glück oder was auch immer - ist eine Patendlösung, oder (mit Verlaub, Herr Gemeiner Rat) eine Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft."

    die manichäisch gedachte welt, die vorgeblich nur nullsummenspiele erlaubt, ist meiner meinung nach das gefährlichste menschliche gedankenkonstrukt von allen. das (vorgeblich) ausgeschlossene tertium gibt es sehr wohl, lässt man die ideologischen scheuklappen fallen. und nein, ich spreche hier nicht von toleranz allem und jedem gegenüber, sondern, wie gesagt, von einem situativ eingebundenen handlungsspielraum, der der düsteren theorie eines unausweichlichen 'clash of civilizations' vorzuziehen ist.

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  117. hitz, ein buch ganz nach ihrem geschmack wäre wohl toby e. hoffs 'Intellectual Curiosity and the Scientific Revolution', das - kurz gefasst - die gründe dafür zu benennen sucht, weshalb die westliche zivilisation (allen) anderen zivilisationen überlegen ist. falls es sie interessiert, können sie vergleichen, wie sich eine allgemeine und eine wissenschaftliche rezension dazu äussern (ich für meinen teil ziehe die wissenschaftliche vor: komplexe sachverhalte lassen sich eben doch nicht auf einfache schemata reduzieren - die dann auch noch auf wackeliger ideologischer legitimationsbasis stehen).

    http://www.faz.net/artikel/C30405/toby-e-huff-intellectual-curiosity-and-the-scientific-revolution-warum-haben-die-chinesen-die-heute-ihre-kinder-drillen-sich-damals-so-haengen-lassen-30328778.html

    http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/type=rezbuecher&id=15735

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  118. oh, o., für sie habe ich auch noch etwas nettes. wissen sie, was watzlawicks franzl wokurka, dieser unideologische kopf, der sich der denkweise der formalen logik zu verweigern pflegte, auf plakate schmierte, die unheilvoll verkündeten: "Nationalsozialismus oder bolschewistisches Chaos?". genau: "Erdäpfel oder Kartoffeln".

    allerdings muss ich zugeben, dass der aufgebauschte medienskandal rund um timothy snyders 'Bloodlands' einem doch zu denken gibt (s. aktuelle weltwoche-ausgabe). offenbar gilt selbst heute noch jeder neutrale vergleich der nationalsozialistischen und stalinistischen mordmaschinerie als ein angriff auf die unantastbarkeit des holocausts.

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  119. Nur kurz: der Koran i s t eine geistige Waffe, die Bibel muss erst dazu missbraucht werden.

    Badeverbots-Verbot und Entschleierungszwang in Ehren - solange eine quäckende Menschen-/Völkerrecht-vor-Demokratie-Armada von ihrem akademischen Thron und aus vollen medialen Lautsprechern genau jene "Toleranz" einfordert, die eine Abschaffung oder Lockerung der Gültigkeit Schweizer Rechts für Muslime (zugunsten ihrer Scharia) vorsieht oder die im Türmchenverbot eine Symbolpolitik sieht, die unschweizerisch und populistisch sei begrüsse ich die Rhetorik eines Hitz umso mehr.

    Das Gegenteil des Falschen ist zwar nicht immer richtig, aber meist sympathisch.

    Ob es unterschiedliche Ausprägungen der Grausamkeitsintensität gibt, wie Allas Herrschaft durchgesetzt werden soll ist mir egal - wahrscheinlich so egal, wie es jenen unbescholtenen Menschen egal war, die eines Dienstagmorgens im Hochhaus von 1000grädigem Kerosin übergossen wurden.

    Ohne manichäisches Weltbild, liebe zoé, gäbs keine Göttliche Komödie, keine Engel, keine Teufel, keine Spannung in dem enormen Kraftfeld - wie langweilig.

    Meine aktuelle Weltwoche habe ich irgendwo liegengelassen - sehr zu meinem Verdruss. In so einem Fall kaufe ich zu meiner eigenen Bestrafung keine zweite.

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  120. dem denkfehler "wenn etwas schlecht ist, muss das gegenteil gut sein" hat watzlawick ein eigenes kapitel gewidmet...

    aktuelles beispiel: die kompromisslose haltung der tea party verunmöglicht eine einvernehmliche lösung im us-budgetstreit. derweil tanzt die weltwirtschaft am abgrund, aber diesen manisch getriebenen ist das bekanntlich egal:

    http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/konjunktur/Wer-lacht-noch-ueber-die-Tea-Party/story/14252904

    zurück zur schweiz: sehen sie auch nur den hauch einer chance, dass die scharia einzug in unser rechtssystem hält? zur abwehr solcher hirngespinste stellt die direkte demokratie hinreichend 'gegenmittel' zur verfügung, und sie funktionieren im zweifelsfall über die parteiengrenzen hinaus, wie das beispiel der minarett-initiative gezeigt hat. solange wir auf unserem boden dagegenhalten, haben wir langfristig nichts zu befürchten. oder glauben sie, wir wachen eines morgens auf und werden von den saudis mit waffengewalt überrannt? eben. alles geld, dass bisher in die terrorfinanzierung geflossen ist - was hat es denn, auf einer grossen skala betrachtet, schon bewirkt? nichts, ausser eine zunehmend vorsichtige bis ablehnende haltung gegenüber den islam. schrankenlose toleranz predigen wirklich nur noch die irrsten köpfe in den elfenbeintürmen.

    insofern kann es mir herzlich egal sein, was im koran steht. die haben nicht das zeug dazu, unsere gesellschaftsordnung zu erschüttern. kümmern wir uns lieber darum, den anschluss zur wirklichen politischen wie wirtschaftlichen konkurrenz im asiatischen raum nicht zu verlieren.

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  121. Zoé: Aus Mangel an Zeit auch nur einen kurzen Einwand. Die Schweiz ist keine Insel und während wir dank der direkten Demokratie unserer Abneigung gegen die Islamisierung Ausdruck verleihen können, gibt es in Frankreich, Deutschland, Holland, den skandinavischen Ländern und weiss der Geier wo noch sonst bereits Stadtquartiere, in denen die Leute auf der Strasse den Gebetsteppich ausrollen und in denen faktisch eine islamische Gesellschaftsordnung herrscht. Und niemand tut Etwas dagegen. Es braucht keinen Krieg, um eine verblödete und ihrer selbst nicht mehr bewussten Gesellschaft den Garaus zu geben. Unterwanderung reicht vollkommen.

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  122. hitz, auch nur ganz kurz: die zeichen stehen auch in europa auf konfrontation. die konservativen revolutionen in den skandinavischen ländern, wilders in den niederlanden, die sarrazin-debatte in deutschland, marie le pen in frankreich: die mainstream-politik kann die augen vor dem zweifel und den befürchtungen der eigenen bürger nicht länger verschliessen ("multikulti ist gescheitert", raunte es erst vor kurzem in der deutschen medienlandschaft).

    die einzigen, die womöglich noch nicht aufgewacht sind - respektive noch nicht realisiert haben, dass schariagerichte in ihrem land bereits eingeführt wurden - sind die briten.

    dennoch: nicht in der mobilisierung eines äusseren feindbildes liegt meiner meinung nach die lösung, sondern in einer besinnung auf das innere fundament der erfolgsgeschichte der westlichen moderne. und das sind meiner ansicht nach immer noch die liberalen grundsätze der aufklärung, die die strukturen unserer neuzeitlichen gesellschaftsordnung diktiert haben - und weiterhin diktieren.

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  123. "Besinnung auf das innere fundament der erfolgsgeschichte der westlichen moderne. und das sind meiner ansicht nach immer noch die liberalen grundsätze der aufklärung, die die strukturen unserer neuzeitlichen gesellschaftsordnung"

    Gesellschaftsordnung ist das eine, die Form, die äussere Verfassung. Und der Inhalt?

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  124. die äussere form oder verfassung, wie sie es nennen, o., ist intrinsisch mit den inhalten verbunden. so steht die aufklärung für einen prozess der trennung unterschiedlicher gesellschaftlicher ebenen: erst die auflösung des vormals allumfassenden führungsanspruchs der religion ermöglichte die diversifizierung der subsysteme politik, wirtschaft, wissenschaft und kultur auf basis je eigener, pluralistischer normen und werte.

    man kann sich gegen diesen individualisierungsprozess (säkularisierung ist in erster linie gesellschaftliche wie persönliche individualisierung) aussprechen, aber man sollte sich im klaren sein, dass es ohne ihn keine moderne entwicklung in dem uns bekannten sinn gäbe.

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  125. Aha, das Hohe Lied der Aufklärung wird angestimmt...!
    Diese allgepriesese "moderne Entwicklung" ist ein Faktum, aber sie ist wiederum nur ein Ausgangspunkt für neue Entwicklungen. Und je pluralistischer die Normen und Werte, desto grösser die Anzahl Weggabelungen. Man könnte darob schier verzweifeln, wenn man sich das überlegt, aber der Mensch funktioniert eben anders.
    Und: In diesem gepriesenen Zustand verwirklicht sich eben auch ein Heilsanspruch, zoé, eine Ersatzreligion, oder besser: ein Religionsersatz. Eine Totalität für sich.
    Und n a t ü r l i c h muss dann die geschichte gerichtet sein und auf den gegenwärtigen Zustand hingesteuert sein, wie von unsichtbarer hand geführt. Und n a t ü r l i c h ist es eine Entwicklung vom Dunkel ins Licht (jener Lieblingsfetisch der Aufklärer): was vorher war m u s s entsetzliche Dunkelheit gewesen sein.

    Aber wenn wir am Ende des Tages auf unsere nach rationalen und materialistischen Prinzipien durchorganisierte und -erklärbare Welt sehen, erfasst uns ein fatalistisches Gruseln.

    Die Meta-Narratives sind keineswegs tot. Sie werden wie von selber sichtbar am Horizont, von der Sonne beleuchtet, wenn der Geist aus dem Dickicht auftaucht, das ihm die Sinne trübte; das ist dann auch eine Auf-Klärung. Klarer sehen.

    Wir werden sehen...

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  126. wieso soll geschichte gerichtet sein, o.? nur weil sie (zeitweise) in der moderne mündet? wer hat denn gesagt, dass die moderne den endpunkt des geschichtlichen verlaufs darstellt?

    über die folgen der aufklärung in ihrer ganzen tragweite wäre in der tat zu diskutieren. nur: der wissenschaftlich-technologische und wirtschaftliche aufschwung, dem wir unseren wohlstand verdanken, ist ohne die weichenstellungen dieser epochalen wende nicht zu haben. und ja, noch immer halte ich es mit kant und seinem bonmot vom ausgang des menschen aus seiner selbstverschuldeten unmündigkeit. wer allerdings gott als oberste schaltende und waltende instanz aus dem aktiven weltgeschehen verbannt, muss bereit sein, die daraus erwachsende verantwortung zu tragen. damit tun wir uns zugegebenermassen bis heute schwer.

    ach ja, die licht-schatten-metaphorik, die hat es mir auch angetan. insbesondere wenn man bedenkt, dass vernunftkonzepte sich über jahrhunderte wandeln und es somit eine frage der historischen rahmenbedingungen ist, was als rational und was als irrational aufgefasst wird. kepler hat seinerzeit niemand für abergläubisch gehalten, nur weil er sich neben seinen präzisen astronomischen messungen weiterhin mit astrologischen deutungen (u.a. genituren - geburtshoroskope - für wallenstein) beschäftigte.

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  127. @hitz: anbei ein artikel, der sie interessieren könnte:

    http://www.sueddeutsche.de/kultur/skandalbuch-von-sylvain-gouguenheim-der-mittelalter-sarrazin-1.1134165

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