Montag, 17. Oktober 2011

Wie Rehe im Scheinwerferlicht

Der Wahlkampf sei langweilig.
Die Akteure scheinen sich tatsächlich grauenhaft zurückzuhalten, wie so oft in der Schweizer Politik und Gesellschaft ist Moderation der Konsens. Keiner will was falsch machen. Kein Wunder, sage ich.
Wenn sich wer hervortut und die Dinge beim Namen nennt, ist er ein "rechter Polteri", was dann "unschweizerisch" ist und das politische Klima "vergiftet". Oder ein "Politclown", der dem heiligen Geschäft der grauen Konsenspolitik nicht wirklich gewachsen ist und ergo nicht ernst genommen werden braucht.
Wer sich im Wahlkampf also nicht bieder lächelnd zurückhält, verstösst gegen den CH-Konsens von Demokratie, bei dem es nicht darum geht, dem Wähler transparent und ehrlich seine politische Positionen darzulegen, sondern sich bei ihm einzuschmeicheln als geschmeidiges Chamäleon, das dann schon richtig entscheidet (nach welchen Kriterien?) in SACHFRAGEN. Richtungswahlen? Iwo? Wie unschweizerisch!

Konkordanz-, Konsens- und Sachfragentauglichkeit scheint gefragt in der Schweiz - nicht das, wofür ein Volksvertreter von seinen Wählern eigentlich gewählt werden sollte: Berechenbarkeit, klare Prinzipien, Verlässlichkeit, deutliches Profil. Nein, Geschmeidigkeit und unverbindliche Zeitgeistigkeit scheinen die Fähigkeiten zu sein, die Kandidaten im Wahlkampf 2011 bei sich selber betonen.

Biederes Gegrinse - die Akteure halten sich brutal zurück.
Unser aller Tagimagi-Tussi/"Schwanzlutscherin"/Starautorin/Neofeministin/Neomami/etc (in exakt dieser chronologischen Reihenfolge) Michele Roten hat sich in der letzten Ausgabe ihres Publikatiönchens über Wahlplakate ausgelassen. Den Link mag ich gar nicht heraussuchen. Sie befand, die einzigen, die aussähen, als hätten sie noch ein "Leben neben der Politik" seien die Sozis. Das deckt sich nicht ganz mit meiner Wahrnehmung. Aber der Reihe nach!

Wahlplakate sind so öde und steif, wie der Wahlkampf beschrieben wurde (siehe oben); dem überlebensgrossen Grinsgesicht wird sogar die stringente Botschaft geopfert. Am herzigsten sind wie immer die CVPler und EVPler: Sie blicken ins Kameraobjektiv, als wäre es ein Neugeborenes und man hebt förmlich die Augenbrauen und will JÖÖÖÖ rufen. So unschuldig, so lieb, so brav. Brav sind auch die lieben Genossen: die Männer schauen drein als hätten sie permanent Angst davor, bei einem politisch inkorrekten Gedankenverbrechen ertappt zu werden oder einer Genossin das Scheinwerferlicht zu rauben. S'sind eifach Liebi! Wie Rehe, die auf der Waldstrasse nächtens ins Scheinwerferlicht geraten. Ihre Schnäuze und modischen Brillen und neckischen Dreitagebärte täuschen mich (im Gegensatz zu Roten) nicht: Hässliche, steife SP-Frauen, schwache, steife SP-Männer. Wie heisst eigentlich deren Zürcher Ständeratskandidat? Eine versteifte neue Klein-Bourgeoisie. Die neuen überkorrekten Quartier-Spiesser wählen SP. Oder grün. Weil die für Velowege sind. Mit Helmpflicht.
Bei den EDU-Leuten hat Roten recht: man blickt in ernste Mehrzweckhallengesichter, Sonntagmorgen, evangelikaler Gottesdienst, noch das Lächeln ist irgendwie eine Qual. Dagegen wirken die Grünen fast munter; stilisiert ungepflegt und schreckschraubig. Das Glättli-Bubi möchte man mal am Morgen so richtig brutal anrempeln in der S-Bahn! Leider fährt der Velo. Mit Helm.
Über die Mikroparteien BDP und GLP mag ich weder Zeit noch Gedanken verschwenden.
Dann kommen die Bürgerlichen: FDP - hä? War da was? Das knackige Hardliner-Vollweib Doris Fiala ist von Orlando gewählt (am liebsten Nationalratspräsidentin auf Lebenszeit! lechz! - aus Liebe zur Schweiz), der professorale Gutzi-Futzi...mal sehen. Sonst ist das eine Versammlung von Langeweilern, tschuldigung!
Bei der SVP schauen sowieso immer alle drein, als hätte der Fotograf einen dreckigen Witz (so einen richtig frauen- oder fremdenfeindlichen) erzählt. Wenn sich die mal locker geben und als Schwinger posieren muss sich sofort der Schwingerverband von der "Vereinnahmung" distanzieren - kein Wunder ist der Wahlkampf so öde, arme Schweiz! Bei der Volkspartei bezaubert allenfalls der Eiskalte Blonde Engel aus Winterthur: Nathalie Rickli könnte ohne weiteres die Film-Bösewichtin mimen: "Ich wott nüt weniger als d'Wältherrschaft, Herr Bond, muah-ah-ah-ah!"

Plakatvandalismus überall - arme Schweiz!
Derweil regen mich als täglichen HB-Benutzer die flächendeckenden SVP-Plakate langsam auf. W*t*f*? Gegen das elegante Blocher-Ständeratsplakat habe ich nichts, obwohl es keinen Bezug zur Partei aufweist. Aber die stramme Choreografie von alternierenden Masseneinwanderungsstopp- und SchweizerwählenSVPplakaten im HB Züri findet sogar der ach so unzimperliche Orlando zuviel des Guten! So stellt er sich Propaganda in Diktaturen vor. Wie kann das die SBB zulassen (oder die APG)? Das ist idiotisch.


Wen Orlando wählt und warum: das gibts demnächst hier auf diesem Kanal. Stay tuned.

4 Kommentare:

  1. man lerne, plakate sind für die füchse oder die protagonisten können sich nicht visuell ansprechend darstellen (lassen) - irgendschon verkorkst.
    denn wenn wir die auftritte im television anschauen, dann erkennen wir zwar (keine) standbilder, dafür aber inhaltliche sosse (sauce).
    es herrscht effektiv eine lähmende stimmung hinsichtlich gehalt und würze der standpunkte, egal ob bildlich oder sprachlich.

    scharfe, wirksame inhalte werden als methodischer widerstand gar nicht an die oberfläche gelassen; nein sie bleiben im tiefenlager der gesellschaftlichen konsequenzen.

    p.s.:
    1)immerhin war der britschgi in der letzten arena noch lebhaft, wenn auch durch F.A.M.sches-zucken begründet
    2)orlando, erwarten sie nun, dass wir unsere listenwahl kundtun?

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  2. Zysi, fühlen sie sich frei! Dort wo sie wohnen scheint der fall eh klar zu sein, oder?

    Ich für meinen Teil feeue mich auf eine Plakatlose Zeit. Die wohl ncht kommen wird, da es in jenen Kantonen wo ich mich so aufhalte, vermutlich zu einem zweiten Ständeratswahlgang kommen wird. Aber alssen wir uns überraschen.

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  3. es kann dann ja höchstens salzig werden - zumal ich im Kt. BE , gerade im heute dargestellten Kaffeesatz-Lesen der BZ Redaktion erfahren durfte, dass die SP, Grüne, GLP, BDP zu den Wahlsiegern gehören werden und die SVP konsolidiert aus den Wahlen hervorgeht - gut möglich, wenn ich die Stimmkraft im urbanen Raum der Kantonsstädte (Bern, Thun, Biel, L'thal) berücksichtige.

    da hoffe ich doch, dass meine SVP, EDU Kandidaten das Gegenteilige erzielen werden. Wäre echt schade, wenn ein NR Brönnimann nicht mehr gewählt würde. Immerhin freut er sich darüber, dass ein abgemergelter Gilad Shalit lebend aus seinem 5-jährigen völkerrechtswidrigen Kidnapping nach Hause gehandelt werden konnte.

    Zu den Plakaten allgemein. Sie erwähnten die "Verunstaltung" im HB ZHR; hier haben wir dafür mindestens genauso durchdringend die netten und stilvollen Parteien (you know those)an quasi jeder BLS Haltestelle von Bern an aufwärts Richtung Grübe- und Aaretal bis nach Kandersteg; dort hängt vermutlich noch ein Ogi-Plakate neben den erwähnten...

    On verra

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  4. Es kommt immer drauf an in w e s s e n Kaffeesatz man liest...

    Sie meinen die "anständigen" Parteien? Die aus einem anständigen Komplott hervorgegangen sind und dessen Ständerat sich von der "unanständigen" Partei zuerst hat den Wahlkampf finanzieren lassen um ihr im erstbesten Moment (und ohne Not!) den Rücken zuzuwenden.

    Nun, der alte Spaltpilz aus Büren a. A. ist ja dann verdientermassen über seinen durchgeknallten Armeechef gestolpert und musste sich nasenblutend in den Ruhestand verabschieden.

    Ogi-Plakate? Muahahah. Wobei sich der nicht sehr respektvoll über die angeblich aus dem Paradies vertriebenen geäussert hat...

    On verra

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